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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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erzählt?«
    »Jacqueline. Aber es steht im Buch.«
    »Hat Jacqueline … hat sie dich zum Vampir gemacht?«
    Stille.
    »Ist es unhöflich, das zu fragen?«
    Immer noch keine Antwort.
    »Na, ganz wie du willst«, sagte ich. »Ich muss mich nur von dem ablenken, was da auf mich zukommt.«
    Ein paar Minuten verharrten wir so, ich saß mit dem Rücken an der Wand, er starrte die Decke seiner Zelle an. Als er sprach, war deutlich zu hören, wie schwer es ihm fiel. »Wir sollen es niemandem sagen«, fing er an. »Aber wenn wir sowieso sterben, ist das egal, glaube ich.« Die grünen Augen füllten sich mit dem, was bei einem gesunden Vampir wohl Blut gewesen wäre; in seinem Fall dünne, rosiggraue Flüssigkeit. »Und wenn du doch hier rauskommst«, fügte er hinzu, »dann kannst du ihr ja sagen, dass es mir leidtut, so ein blöder Idiot gewesen zu sein.«
    »Jacqueline?«
    »Nein. Die, die mich gemacht hat.«
    Caleb hatte im Trinity-Hospiz in Clapham gelegen, Krebs im Endstadium. Erst war es Magenkrebs gewesen, doch die Ärzte hatten so lange gebraucht, ihn zu diagnostizieren (ein seltener Krebs bei Kindern), dass er bereits Tumore in Lungen, Bauchspeicheldrüse und Dickdarm hatte. Achtzehn Monate Strahlen- und Chemotherapie hatten nichts gefruchtet. Seine alleinerziehende Mutter (der Vater war ein schon lange verschwundener One-Night-Stand gewesen) war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als er vier war; danach wurde er von Tante und Onkel in Wimbledon großgezogen – es war nicht schlimm gewesen, wie es sich anhörte, aber auch nicht sonderlich liebevoll. »Ich war nicht ihr Kind. Jeff war der zweite Mann meiner Tante, und er wollte mich nicht haben. Er arbeitete in der City, sie studierte Psychotherapie. Ich habe meine Zeit mit einer ganzen Reihe von Au-pairs und Kindermädchen verbracht. Es war nicht schlimm. Jeff und Rochelle hatten viel Geld und fühlten sich schuldig, mich nicht zu lieben, und als ich acht war, bin ich fast in beschissenem Spielzeug und Krempel ertrunken. Wenn ich nach einem Koks-Dealer gefragt hätte oder nach Kylie Minogue auf Vorkasse, dann hätten die das auch irgendwie hingekriegt. Dann wurde ich krank.«
    Komisch nur, so erzählte er mir, er hätte eigentlich nicht daran geglaubt, wirklich sterben zu müssen.
    »Bei den anderen Kindern konnte ich es sehen; an der Art, wie sie aus dem Fenster schauten, sich das Gelände und den Himmel ansahen, konnte ich sehen, wie es ihnen langsam klar wurde, dass sie gehen würden, dass diese Welt und all die Dinge, die sie für selbstverständlich angesehen hatten, verschwinden würden, und dass sie irgendwo sein würden, im Himmel oder in der Hölle oder sonstwo. Alle dachten sie, sie würden irgendwo sein, und wenn sie nur umherschwebten wie Nebel oder als klägliche Gespenster über die Erde wandelten. Es gab nur ein Mädchen, Hannah, die nicht glaubte, irgendwo hinzugehen. ›Tot und zu Asche verbrannt‹, sagte sie. ›Keine bescheuerten Märchen.‹«
    Zwischen ihm und Hannah hatte es zarte Gefühle gegeben, verriet die kleine Pause.
    »Ich bin da noch mal hin«, fuhr er fort. »Später, als ich schon Vampir war. Ich hätte sie verwandelt, wenn sie gewollt hätte. Aber da war sie schon tot.«
    Ich fragte mich – aber nicht laut –, wie viele Kindervampire es wohl gab. Calebs Sonderbarkeit verriet deutlich, dass es nicht allzu viele waren.
    »Aber jetzt bin ich zu weit vorgesprungen«, unterbrach er sich. »Lange davor fing meine Mutter an, mich mitten in der Nacht zu besuchen.«
    »Deine Mutter?«
    »Die mich gemacht hat«, erklärte er. »Mia Tourisheva.«
    Mia. Ich kannte den Namen. Die hübsche Blondine, die Jake in Harleys Haus mit dem Flammenwerfer erledigt hatte. Zu viel der Hoffnung – der Name war ungewöhnlich, Gott war tot, die Ironie usw. –, dass dies eine andere Mia sein mochte.
    »Ich wachte auf, und da war sie«, sagte Caleb. »Sie stand am Fenster oder saß an meinem Bett. Ihre Haare waren genau so weiß wie meine.«
    Eine Woche lang besuchte sie ihn jede Nacht.
    »Es war, als hätte ich das alles schon mal erlebt, jeden Tag«, fuhr Caleb fort. »Alles, was sie sagte, alles, worüber wir sprachen, der Klang ihrer Stimme, der Geruch im Hospiz, ihre weiße Haut und ihre Hand auf meiner Stirn wie Eis – all das, als sei es schon mal passiert. Sie wusste alles über mich. Sie wusste über meine Mutter Bescheid und Jeff und Rochelle und über den Krebs. Sie sagte, wenn ich wolle, könne sie mich heilen, und ich könne bei

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