Bär, Otter und der Junge (German Edition)
er ist kurz davor deutlich Schlimmeres zu tun, als ich es je könnte.“
Wir alle sehen zu Otter, und ich erschauere, als ich sehe, dass seine Augen wieder schwarz sind. Ich weiß nicht, warum mir nicht aufgefallen ist, wie sich der Arm um meine Schultern angespannt hat, wie sein Atem angestrengter wurde und sein Wangenmuskel angefangen hatte zu zucken. Beinahe will ich ihn loslassen, aber das kann ich nicht tun. Ich greife nach seinem Kinn, drehe sein Gesicht zu mir, und obwohl die Dinge zwischen uns noch nicht geklärt sind (wie könnten sie auch, bei so vielen ungesagten Dingen?), wird sein Blick weicher, sobald er auf meinen trifft. Ich sehe, dass das, was in seinem Kopf vor sich geht, sich langsam beruhigt. Ich kann das für ihn tun, und vielleicht ist es das, was es bedeutet, verliebt zu sein: In der Lage zu sein, jemanden vom Rande des Abgrundes zurückzubringen. „Mit uns alles klar?“, murmle ich so leise, dass nur er es hören kann. Er nickt.
Ich blicke zurück zu Creed, und während ich sehe, wie ihm die Scham ins Gesicht geschrieben steht, sehe ich dort auch noch immer das Gewicht seiner Worte. Ich überlege, ob vielleicht seine schnelle Akzeptanz von Otter und mir, nur seine eigene Schuld überspielen sollte. Es war so einfach, ihn für uns zu gewinnen. Er ist zu schnell zu meiner Verteidigung gesprungen, für etwas, das für ihn eine schwierige Veränderung in seiner ordentlichen Welt sein musste. Ich erlaube mir, einen Moment lang traurig zu sein, frage mich, ob die Dinge zwischen uns jemals wieder wie vorher sein werden. Ich hoffe es, denn er hatte recht, als er sagte, dass wir gleich sind. Was auch immer geschieht, zumindest weiß ich das.
„Tut mir leid“, murmelt Creed leise.
„Wie geht’s jetzt weiter?“, frage ich und hasse wie dünn meine Stimme klingt.
Creed sieht mich einen Moment lang an, dann weg. „Wir gehen weiter.“
„Ist es das, was du willst?“
Er nickt. „Erst mal. Vielleicht... Ich weiß nicht. Vielleicht eines Tages, Bär.“
Ich stehe auf, fühle, wie Otters Hände über meinen Rücken gleiten. Ich gehe zu Creed hinüber und gehe vor ihm in die Hocke. Er sieht mich noch immer nicht an, aber das spielt keine Rolle. Er hört mich. „Was auch immer es braucht, Mann. Ich werde hier sein und auf dich warten. Was auch immer es braucht.“ Er holt tief Luft und ich sehe, wie sein Körper zu zittern beginnt. Ich stehe auf und habe mich schon umgedreht, als er mich am Handgelenk packt. Ich warte.
„Denkst.. denkst du.., du könntest einfach nicht mehr sauer sein?“, fragt er ruhig. „Dass das hier einfach vorbei sein kann? Ich wollte dir nicht wehtun.“
„Ich weiß.“
Er springt auf und nimmt mich in die Arme, und ich umarme ihn ebenfalls. Das ging schnell. Ich war davon ausgegangen, dass es mindestens sechs weitere Stunden dauern würde, bis wir uns gegenseitig anheulen würden. Seine Stimme klingt rau in meinem Ohr. „Dir ist schon klar, dass wir nicht immer so ätzend emotional auf irgendwelchen Scheiß reagiert haben. Ich geb dir dafür die Schuld.“
Ich lache leise. „Wer hatte denn die Idee mit den Blutsbrüdern?“
Er zieht sich ein Stück zurück - ein Ausdruck des Erstaunens auf dem Gesicht. „Du hast auch daran gedacht, oder? An dem Tag, an dem du uns von Otter und dir erzählt hast.“
Ich nicke. „Es ist stark, Creed. Du und ich, wir haben Geschichte. Das ist stark. Was ich mit Otter habe, das ist auch stark. Ist das okay für dich?“
„Ich hab keine Wahl, oder?“
Ich zucke mit den Schultern. „Man hat immer eine Wahl.“
Er lacht leise. „Nicht, wenn es um uns geht. Wir haben Geschichte, erinnerst du dich?“
Das tue ich.
„Das ist so ergreifend “, sagt Mrs. Paquinn schniefend.
„So könnte man es auch ausdrücken“, brummt Otter.
„Oh, fühlt sich da jemand ausgeschlossen?“, lacht Creed und macht auf wackligen Beinen einen Schritt zurück. Mir fällt auf, wie seine Augen bei seinen eigenen Worten unruhig werden. Ich hoffe, dass es eines Tages okay für ihn sein wird.
„Wo wir davon reden“, sagt Anna und wirft Otter und mir bedeutungsvolle Blicke zu, „ich denke, wir haben alles gesagt, was gesagt werden musste - erstmal. Würdet ihr beide nicht lieber irgendwo anders sein?“
Ich nicke verlegen und sehe zu meinem Bruder. „Junge, kommst du eine Weile klar?“, frage ich ihn. Ich brauche seine Erlaubnis, brauche ihn, um mir zu sagen, dass alles gut werden wird.
Er winkt mit einer Handbewegung ab. „Na los,
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