Bären im Kaviar
der
Hauptmoschee eine Sonnenuhr aufstellen ließ. Näherte sich die Sonne dem Zenit,
so hatte sich einer der niederen Mullahs vor die Uhr zu hocken und die weitere
Entwicklung abzuwarten. Kreuzte der Schatten die Mittagsmarkierung, so erhob
sich der Untermullah mit geziemender Würde von seinen Knien, wickelte seine
weißen Gewänder malerisch um sich und eilte zum Telefon. Es erforderte nur eine
bescheidene Kraftanstrengung und ganz wenig Zeit, das Telefon anzukurbeln und
den Telefonisten zu wecken, der seinerseits wiederum infolge langer Übung das
Telefon der Moschee mit dem der Festung mit einem bloßen Minimum an Verzögerung
verbinden konnte.
Sehr oft war der Offizier vom Dienst
beim Anruf des Mullah im Wachraum. Wenn nicht, war es nur eine Sache weniger
Minuten, ihn vom Ruhebett in seinem Quartier hochzujagen und ans Telefon zu
bringen. Daraufhin erteilte ihm der Mullah die Erlaubnis, seinen Mittagsschuß
abzufeuern. Der Festungswache war ein für allemal befohlen, sich, sobald die
Sonne höher stieg, auf oder am Geschützstand einzufinden und die alte Haubitze
mit Pulver zu laden, sobald sie des Offiziers ansichtig würde. Und erst dann,
wenn alles korrekt vorbereitet war, gab der Offizier das ersehnte Signal, ein
Streichholz wurde an die Zündschnur gehalten, die Ladung bollerte los, und die
Einwohner Kabuls stellten ihre Chronometer eiligst auf Punkt zwölf Uhr. Was bei
bedecktem Wetter geschah, habe ich leider nie herausfinden können.
Als ich das State Department einmal um
eine größere Menge Aspirin-Tabletten bat, reagierte es umgehend mit dem
Hinweis, daß die geforderte Menge ausreiche, die gesamte Bevölkerung
Afghanistans für die nächsten fünfundzwanzig Jahre kopfschmerzfrei zu halten.
Neben dieser Hauptbeschäftigung,
Afghanistan mit kulturellen, chronometrischen, pharmazeutischen und weiteren
lebenswichtigen Dingen zu versorgen, blieb immer noch ein kleines bißchen Zeit
zum Jagen, Fischen oder sogar Falkenabrichten in einem Tal am Kalu oder in den
Bergen um Kabul — vorausgesetzt, die Stämme waren gerade friedlich. Ein
besonderer Berg nun hatte schon seit geraumer Zeit meine Aufmerksamkeit auf
sich gezogen. Er lag ziemlich in der Mitte des Hindukusch und war an seinem
höchsten Punkt — wie der Atlas behauptete — etwa siebentausendeinhundertdreißig
Meter hoch. Ich hatte schon verschiedentlich versucht, ihn zu ersteigen, doch waren
entweder die Stämme unruhig oder der Schnee war zu tief oder die in Frage
kommenden afghanischen Stellen hatten sonst was dagegen gehabt. Endlich
schaffte ich es, den Premierminister davon zu überzeugen, daß alle Umstände
»okay« seien, und erhielt tatsächlich die Erlaubnis. Freilich nur unter der
Bedingung, daß ich eine Abteilung Soldaten und einen seiner eigenen
Geheimpolizisten als persönliche Leibwache mitnähme. Die Soldaten waren immer
eine große Plage, da sie die ungezogene Angewohnheit hatten, in allen Dörfern,
in denen wir anhielten, sämtliche vorhandenen Enten und Hühner zu stehlen, was
mich wiederum zwang, den beraubten Dörflern üppige Rechnungen zu bezahlen, ehe
sie sich dazu herbeiließen, mich durch ihre Jagdgründe zu führen. Doch der
Premierminister beharrte auf seiner Forderung, und mir schien, es sei die
letzte Chance für einen Besteigungsversuch des »Duschmani-Man«-Berges (was nach
meiner Privatversion des Kabuler Persisch »Mein Feind« heißen sollte). So brach
ich also, gefolgt von einem Lastauto voller Soldaten, in einem Panzer-Spähwagen
auf. Unterwegs verbrachten wir einen Tag auf einem kleinen Berg, der besonders
reich an schönen Steinböcken sein sollte. Nach zwölf Stunden erschöpfenden
Herumkletterns jagten wir jedoch nur eine Herde mickriger Bergschafe auf, die
das Pulver nicht lohnten. Also kraxelten wir die Abhänge wieder hinunter bis
zur Straße, wo wir Autos, Soldaten und Leibwache zurückgelassen hatten, und
fuhren zwanzig oder fünfundzwanzig Kilometer weiter bis zum nächsten Aufstieg auf
den »Duschmani Man«. Das Auto mit dem größten Teil der Soldaten deponierten wir
am Straßenrand und machten uns auf den Weg zum letzten Dorf am Berghang.
Es war schon dunkel, als wir
schließlich durch die niederen Lehmmauern traten und die dort versammelten
Dorfältesten begrüßten. Sie hatten längst von unserer Ankunft gehört und einen
großen Raum im oberen Stockwerk eines ihrer Lehmhäuser für uns frei gemacht.
Eine wackelige Leiter führte auf einen offenen Dachgarten, von dem aus man
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