Bärenkind - Bär, D: Bärenkind
Weg.
***
21
Selbstbestrafung
Sie war allein zuhause und machte ihre Schularbeiten. Endlich stand ihre Mutter mal nicht hinter ihr und beobachtete jede Bewegung die sie ausführte.
Entspannt war Daniela aber trotzdem nicht. Sie musste alles ganz perfekt machen, so wie sie immer versuchte ganz besonders sorgfältig und perfekt in allen Dingen, die sie tat zu sein. Fehler durfte sie sich nicht erlauben, denn das hätte eine Strafe zur Folge.
Die Lehrerin hatte ihnen aufgetragen einen Absatz aus dem Lesebuch in Schönschrift abzuschreiben und etwas lesen zu üben. Mit dem Lesen hatte Daniela keine Probleme und das Schreiben bereitete ihr normalerweise auch keine großen Schwierigkeiten.
Aber an diesem Tag wollte ihr nichts gelingen. Ständig verschrieb sie sich und versuchte die Fehler mit dem Tintenkiller wieder auszubessern. Das konnte man sehen und wenn ihre Mutter es bemerkte, dann würde sie bestraft werden, denn sie war zu blöd diesen Text zu schreiben.
Daniela wurde wütend. Warum war sie nur so blöd? Schon passierte es wieder. Sie besserte es sofort aus. Ihre Wut wurde immer größer. „Ich bin einfach zu dumm und zu blöd. Mama hat schon Recht!“, dachte das kleine Mädchen. Ein paar Zeilen gelangen ihr fehlerfrei, doch dann schrieb sie erneut ein Wort falsch. Voller Wut warf sie den Füller weg und ließ ihren Kopf einige Male auf die Schreibtischplatte knallen. Ja, es tat weh, aber das gehörte sich so, wenn man dumm war. Immer und immer wieder.
So hatte sie es gelernt. Wenn man dumm und zu blöd zu etwas war, dann musste man bestraft werden.
Jemand rief nach ihr. „Daniela! Daniela! Komm mal ans Fenster!“ Es war eine der beiden Nachbarinnen, die jeden Nachmittag mit ihren Klappstühlen auf dem Wäscheplatz saßen und über ihre Nachbarn lästerten. Das Mädchen ging zum Fenster und schaute nach unten. „Mach mal das Fenster ganz auf!“, rief die Nachbarin zu ihr hoch. Sie gehorchte und öffnete es. „Was machst du denn da oben? Ist alles in Ordnung mit dir?“ Daniela wunderte sich über den besorgten Ton der Nachbarin. „Ja“, erwiderte sie kurz. „Sicher?“ Auch diese Frage beantwortete sie wieder nur mit einem kurzen „Ja“. Das schien der Nachbarin zu reichen, denn sie widmete sich wieder ihrer Gesprächspartnerin. Das kleine Mädchen schloss das Fenster, sah wie die beiden Frauen noch einmal zu ihr aufsahen und versuchte dann ihre Hausaufgaben zu beenden. Trotz Fehlern bestrafte sie sich jetzt nicht mehr selbst, denn sie wollte nicht die Aufmerksamkeit der beiden Frauen auf sich ziehen. Wer weiß was das für Konsequenzen gehabt hätte.
Mutig genug waren die Nachbarinnen, das Mädchen zu fragen ob etwas nicht stimmte. Aber nur, weil Danielas Mutter nicht zuhause war, denn sonst fragten sie nie.
22
Mit Papa im Zirkus
Da ihr Vater im Schichtdienst arbeitete und sie ihn dadurch jede zweite Woche fast gar nicht sah, freute sich Daniela als er ankündigte mit ihr und ihrer kleinen Schwester in den Zirkus zu gehen. Das Beste daran war, dass ihre Mutter zuhause bleiben würde.
Sie fuhren mit dem Auto zu dem nicht ganz so weit entfernten Rummelplatz, auf dem der Zirkus sich niedergelassen hatte. Ihr Vater bezahlte den Eintritt und sie suchten sich einen Sitzplatz in dem großen Zelt, direkt neben der Treppe. Daniela fühlte sich wohl, ihre kleine Schwester saß neben ihr und daneben ihr Vater. Stolz schaute sie ihn an, ihren geliebten Papa.
In der Manege begann die Vorstellung. Sie konnten Pferde sehen und Clowns. „Dani? Ich bin mal kurz draußen, ich komme gleich wieder“, sagte er zu seiner Tochter und verschwand durch die Plane am Eingang des Zeltes. Ein Käfig wurde aufgebaut und ein paar Löwen und Tiger liefen in die Manege. Daniela fand das sehr spannend und ihrer kleinen Schwester gefiel es offensichtlich auch. Aber ihr Vater kam nicht wieder.
Das kleine Mädchen wurde nervös und nahm kaum noch etwas von dem bunten Treiben in der Mitte des Zirkuszeltes wahr. „Komm mit.“ Daniela nahm ihre kleine Schwester an die Hand und ging nach draußen. Nichts war von ihrem Vater zu sehen. Sie stiegen die Eisentreppe hinunter und gingen in irgendeine Richtung. Das Mädchen fand ihn einfach nicht. „Wo gehen wir hin?“, fragte Sandra. „Wir suchen Papa“, antwortete die vier Jahre ältere Schwester. Hier war der Eingang, dortdie Toiletten. Nirgends war er zu sehen. Sie kamen an einem Stand mit Süßigkeiten vorbei. Auch hier war er nicht. „Vielleicht ist er wieder im Zelt
Weitere Kostenlose Bücher