Baeuerin sucht Frau
grinst. »Du bist heute aber mal wieder extrem radikal drauf, hm?«
»Radikal? Ich? So ein Quatsch!«
»Sagt das die Frau, die gleich am zweiten Tag in Pleßnitz den Pfarrer vergrätzt hast? Er macht seinen Antrittsbesuch und du erklärst ihm ohne Vorrede, dass die Kirche die Frauen unterdrückt. Kein Guten Tag , kein Möchten Sie einen Kaffee? Ich finde das ziemlich radikal-feministisch.«
»Aber es ist doch wahr«, verteidige ich mich.
»Der Mann kam in guter Absicht. Und du stößt ihn vor den Kopf. Und was war beim Frikadellenfest letztes Jahr? Nur weil es Wuttke war, der den singenden Koch engagiert hat, bist du weggeblieben. Du hast so nicht nur eine Menge Spaß verpasst, sondern auch die Gelegenheit, dich mal von einer anderen als der Ökokämpferinnenseite zu zeigen. Durch solche Aktionen erreichst du gar nichts, besonders nicht bei den Alteingesessenen.« Damit umschreibt Antje nett die Tatsache, dass die Pleßnitzer Ureinwohner mich auch nach drei Jahren immer noch als »die Neue« auf Heinrichs Hof ansehen. Und ich glaube, selbst wenn ich noch hundert Jahre in Pleßnitz lebe, ändert sich das nicht.
Nicht nur deshalb überkommen mich manchmal Zweifel, ob meine Entscheidung wirklich richtig war. Ich stand doch eigentlich gut da im Leben. Acht Semester Studium in Biochemie, Abschluss Bachelor mit sehr ansehnlichen Noten. Das brachte mir eine Assistentenstelle an einem angesehenen Institut in Halle ein. Ich konnte mich tief und tiefer in meine liebgewonnene Molekularwelt der Pflanzen vergraben, schrieb sogar Publikationen. Aber ich ignorierte was sonst noch um mich herum geschah: Budgetkürzungen, Suche nach Fördergeldern, Auftragsarbeiten. Ständig lagen die Projekte und Abteilungen im Kampf um ihre Daseinsberechtigung. Irgendwann ging es nicht mehr um die Forschung, sondern wer die Forschung bezahlte. Und nicht selten gaben die Geldgeber auch vor, welche Ergebnisse diese haben sollte. Natürlich bäumte sich mein Wissenschaftlerinherz dagegen auf. Man warnte mich. Einmal, zweimal. Ein drittes Mal sehr nachdrücklich...
Tja, Antje hat so Unrecht nicht. Ich kann ein ganz schöner Dickkopf sein. Das Ende vom Lied war eine arbeitslose Assistentin, die aufgrund ihrer schlechten Beurteilung -mangelnde Teamfähigkeit-, nirgendwo mehr eine Stelle bekam. Also suchte ich nach einer Alternative. Der Gedanke an einen Biohof nahm mich mehr und mehr gefangen. So kam es, dass ich Laborausrüstung gegen Hacke und Spaten tauschte. Selbstredend verteidige ich meinen Biohof mit Vehemenz. Wenn mein Herz erst mal an etwas hängt, dann kämpfe ich dafür.
Das mag den Pleßnitzern in ihrer Gemütlichkeit ja den einen oder anderen Tag verderben, aber das ist mir egal. Die Leute hier vergessen leicht, in welcher Zeit sie leben. Dafür kann ich ja nichts.
»Ihr seid alle ein bisschen schrullig«, murmele ich aus dem Gedanken heraus.
»Danke«, sagt Antje spitz.
»Etwa nicht? Selbst du. Warum bleibst du in Pleßnitz wohnen statt in die Stadt zu ziehen? Du arbeitest dort. Was hält dich hier?«
Antjes Antwort besteht in Schweigen.
»Überhaupt ist es ziemlich ruhig um dich herum geworden«, fällt mir bei näherem Überlegen auf. »Wo sind all die alleinerziehenden Väter, mit denen du dich sonst so gerne umgeben hast? Sind die alle flirtmüde geworden?«
»Nein, aber ich.«
»Aha, deshalb hängst du mit der Dorflesbe rum.«
»Du brauchst nur sagen wenn ich dir zu viel bin.« Antje schaut demonstrativ aus dem Fenster.
»Und empfindlich bist du auch geworden«, kann ich mir nicht verkneifen hinzuzufügen.
»Sylvia?« Genervt schaut Antje mich an.
»Ja?«
»Halt die Klappe!«
Etwas zurückgesetzt vom eigentlichen Hof, am Waldrand, liegt eines der ältesten Gebäude des Grundstückes. Man kann es sehen, wenn man im Hof steht und zwischen dem Stallgebäude linkerseits und dem Hofladen zur Rechten hindurch aufs Feld schaut. Zuletzt wurde es als Maschinenhalle genutzt. Ein alter Traktor rostet noch darin vor sich hin. Und so wie der Traktor rostet, zerfällt das Gebäude von Jahr zu Jahr mehr.
Als ich den Hof übernahm war die Halle bereits in einem ziemlich erbärmlichen Zustand. Einer seiner ersten Ratschläge, die Erik mir gab, war, das Gebäude zu meiden, weil es einsturzgefährdet sei.
Deshalb wundert es mich, dass ich ihn jetzt dort hinauskommen sehe.
»Was machst du denn in der alten Ruine?«, frage ich Erik, als er nah genug ist.
Der ist überrascht mich zu sehen. »Schon zurück?« Er sieht zurück zu
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