Bahama-Krise
weißt du über die politische
Entwicklung hier?«
»Ich habe mich, bevor ich abflog, mit den wichtigsten Daten
vertraut gemacht.« Er sagte mir in wenigen Worten, was er in Erfahrung
gebracht hatte. Seine Sachkenntnis war beeindruckend.
Ich nickte. »Soweit, so gut«, sagte ich. »Die Amerikaner sind
also zu der Einschätzung gekommen, daß Pindling keineswegs der
Menschenfresser ist, als der er noch vor kurzem galt. Diese Beurteilung
ist richtig. Pindling steht an der Spitze einer stabilen Regierung, und
er hat ein konservatives Programm. Seine Politik ist berechenbar. Was
mehr ist, als man von einer Reihe anderer Staaten sagen kann.« Ich
winkte nach neuen Drinks. »Laß uns jetzt einmal über das Hotelgeschäft
sprechen«, fuhr ich fort. »Zuerst über die amerikanische Spielart. Eure
Gäste drüben sind Geschäftsleute und Öltechniker. Durchreisende Gäste
mit wenig Übernachtungen, die tagsüber wenig Zeit im Hotel zubringen.
Sie wollen vor allem schnellen und freundlichen Service. Auf die Dauer
des Aufenthalts bleibt der Service allerdings ohne Einfluß. Eure
Grundstückspreise in den Städten sind astronomisch, deshalb müßt ihr
die Gäste in Sardinendosen legen, allenfalls mit ein bißchen Öl drum in
Form von teurer Ausstattung. Ihr müßt hohe Preise verlangen, um die
teuren Investitionen bezahlen zu können. Unter dem Strich wäre es
günstiger, wenn ihr Kasse macht und das Geld anderswo anlegt. Stimmt's?«
»In etwa hast du recht. Unsere Gäste drüben zahlen hohe
Preise, und das ohne mit der Wimper zu zucken. Jedenfalls hat sich noch
kaum jemand beklagt.«
Ich deutete auf die Hotelhalle. »Was hältst du von diesem
Hotel?«
»Ein luxuriöser Kasten.«
Ich lächelte. »Zumindest sieht es nach Luxus aus. Ich komme
später noch darauf, wieso Luxus nicht unbedingt mit hoher Investition
gleichzusetzen ist. Sehen wir uns erst einmal den Gast an, der in
diesem Hotel verkehrt, Billy. Die Gäste hier gehören nicht zum Jet-set,
und sie können auch nicht allzuviel ausgeben. Ein Ehepaar aus
Cleveland, Ohio. Vielleicht mit Kindern. Irgendwann haben die beiden
schon mal eine Europareise gemacht. Aber das werden sie nie wieder tun.
Europa ist heutzutage verdammt teuer für die Amerikaner. Also fliegt er
nach den Bahamas. Das ist Ausland, und trotzdem nicht teuer. Die ideale
Mischung.«
»Wie steht es mit den Gästen aus Europa?« Er wies mit dem
Daumen über seine Schulter, in Richtung der ausländischen Gäste in der
Lobby. »Ich habe im Vorbeigehen Deutsch gehört, Französisch und
Spanisch.«
»Wenn hier jemand Spanisch spricht, dann kommt er aus
Argentinien«, sagte ich. »Wir haben vergleichsweise viele argentinische
Gäste. Die kommen aus dem gleichen Grunde auf die Bahamas wie die
Europäer, nämlich weil's hier billiger ist als anderswo. Erster Klasse
fliegt von denen keiner, nicht einmal Touristenklasse. Die kommen per
Charterflug. Der Hotelaufenthalt wird als Packagetour gebucht und schon
daheim bezahlt. Den Hauptanteil stellen die Deutschen und die
Schweizer. Aber sehen wir den Tatsachen ins Auge. Weder die
amerikanischen Gäste noch die Europäer können mit dem Geld um sich
werfen. Wie löst das Hotel dieses Problem?«
»Du bist dran«, sagte Billy.
»Also gut.« Ich spreizte die Hände. »Wir sorgen für den
Anschein von Luxus. Und zwar schaffen wir diesen Anschein von Luxus,
indem wir die Gäste mit Dingen umgeben, die sie zu Hause nicht haben.
Mit Palmen zum Beispiel. Palmen sind hier billig. Sie sind leicht
einzupflanzen und wachsen schnell. Für die Gäste sind sie der Inbegriff
des feinen Lebens in den Tropen. In Cleveland oder Hamburg gibt es
keine Palmen. Dann verteilen wir eine Reihe von Bars über das Hotel und
einige Freiluftbars auf den Strand und den Park. Die elegante Welt, auf
Schritt und Tritt, verstehst du? Sogar am Swimming-pool gibt es eine
Bar. Wir heuern ein paar Gitarrenspieler an, ein paar Sänger.
Reggaemusik und Calypso sind so romantisch. Es gibt auch eine
Diskothek, mit dem ganzen tropischen Brimborium. Tanzen unterm
Sternenzelt und seidenweiche Luft, ganz ohne Aufpreis. Es gibt ein
billiges Restaurant zum Abfüttern, und ein Feinschmeckerrestaurant mit
Feinschmeckerpreisen. Beides bringt Geld. In der Halle jede Menge
Geschäfte, ein Juwelierladen, eine Boutique für Kleider, ein Geschäft
für örtliches Kunstgewerbe, ein Kiosk für Zeitschriften und Bücher.
Bisher wurden die Geschäfte in Konzession betrieben, aber jetzt werden
wir sie in eigener Regie
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