Bahama-Krise
diesem Reichtum auch die Schiffe
beitrugen, die vor den Bahamas strandeten. Die Fracht war wertvoll und
fand in die Lagerhäuser der Mangans ebenso wie in die Vorratsgebäude
der anderen Familien, die auf den Inseln das Sagen hatten. Damals gab
es von den Vereinigten Staaten aus schon einen regen Schiffsverkehr,
der an den Klippen und Untiefen der Bahamas vorbei mußte. Manche
Schiffe kenterten bei Wirbelstürmen, andere liefen auf Grund und
sanken. Und mit jedem Schiffbruch wurden die Inseln etwas reicher.
Der große Augenblick für die Händler auf den Bahamas kam, als
der Amerikanische Bürgerkrieg begann. Über die Staaten der
Konföderation im Süden wurde die Seeblockade verhängt. Die Folge war
Hunger und Not. Die geerntete Baumwolle konnte nicht mehr verschifft
werden, sie verrottete in den Häfen. Und Nahrungsmittel kamen kaum noch
herein. Wer mit seinem Schiff damals durch die Maschen der Blockade
schlüpfte, konnte für die Waren, die er mitbrachte, fast jeden Preis
verlangen. Mein Urgroßvater sah die Chance seines Lebens und nutzte
sie. Innerhalb von nur fünf Jahren brachte er ein Vermögen zusammen.
Es war sein Sohn, mein Großvater, der dann
mit der ganzen Familie von Abaco nach Nassau auf der Insel New
Providence umsiedelte.
Nassau war die Hauptstadt der Bahamas und der wichtigste
Knotenpunkt für den Handel. Auch auf Abaco besitzt die Familie Mangan
nach wie vor Ländereien. Ich habe dort erst vor kurzem ein Haus gebaut.
Wenn mein Urgroßvater die Familie reich gemacht hatte, so
gelang es meinem Großvater, diesen Reichtum zu vervielfachen. Er wurde
zum Multimillionär. Und ich darf hier einfügen, daß dieses Geld auch
mein Studium in Cambridge ermöglichte. Wieder war es eine Blockade, die
den großen Profit brachte.
Am 15. Januar 1920 wurde über die Vereinigten Staaten die
Prohibition verhängt. Wie schon im Bürgerkrieg, wurden die Bahamas zum
Umschlagplatz für geschmuggelte Waren. Die Kaufleute und Reeder von
Nassau erwarben sich damals den Spitznamen ›Die Boys von der Bay
Street‹. Mein Großvater war einer dieser Boys und, was den
Alkoholschmuggel anging, ihr Anführer. Die Gewinnspanne bei diesem
Geschäft lag bei 100 Prozent. Das Geschäft war vollkommen ungefährlich,
weil die geschmuggelte Ware draußen, vor der Küste, von amerikanischen
Booten oder Schiffen übernommen wurde. Die eigentlichen
Blockadebrecher, die ein Risiko eingingen, waren also die Amerikaner
selbst. Die Schiffe von den Bahamas bekamen ihre Schnapsfässer Zug um
Zug in bar bezahlt. ›Cash on the barrel‹ hieß der Ausdruck, der den
Geschäftemachern im Archipel noch jahrzehntelang im Ohr klang. Und noch
ein Wort machte damals die Runde. In West End auf Grand Bahama, so hieß
es, sei soviel Schnaps für Amerika gelagert, daß die Insel auf dieser
Seite um einige Grad in den Atlantik gekippt sei. Das Schönste beim
Anhäufen der Profite war, daß das Geschäft, was die Bestimmungen der
Bahamas betraf, völlig legal war.
Alle schönen Dinge gehen einmal zu Ende. So
war es auch mit der Prohibition, die im Jahre 1933 von Franklin
Roosevelt aufgehoben wurde. Meinem Vater konnte das wenig anhaben. Er
richtete sein Augenmerk nun darauf, das Gewonnene in verschiedenen
Geschäftszweigen anzulegen. Hotels interessierten ihn. Mein Vater sah
voraus, daß der im Aufschwung befindliche Flugverkehr von ganz
erheblicher Bedeutung sein würde für den Tourismus nach den Bahamas.
Mit den Gästen, die auf die Inseln kamen, würde sich die ganze
Wirtschaftsstruktur der Bahamas ändern. Schon gab es Schwimmflugzeuge
vom Typ Sikorsky, die von der Pan American für die Route Miami–Nassau
eingesetzt wurden.
Man muß dazu wissen, daß der Tourismus auf den Bahamas anfangs
ausschließlich auf einigen reichen Amerikanern basierte. Die Saison war
auf die vier Wintermonate beschränkt. Meist reiste der Amerikaner mit
seiner ganzen Familie an, gelegentlich brachte er auch ein paar Freunde
mit. Als Ort für den Aufenthalt, der sich über Monate erstrecken
konnte, kam nur New Providence in Frage. Die Hotels dort verdienten
nicht schlecht daran. Aber für die Bahamas im Ganzen war diese Art von
Tourismus ein Tropfen auf den heißen Stein. Es gab eben zuwenig
amerikanische Millionäre, und nur sie konnten es sich erlauben, auf
diese Weise Urlaub zu machen. Mein Vater setzte darauf, daß mit dem
Aufschwung des Flugverkehrs das touristische Massengeschäft einsetzen
würde. Er täuschte sich nicht. Als er 1949 starb, hinterließ er
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