Bahnen ziehen (German Edition)
aus einem engen Pferdeschwanz zieht.
3. Der Atem meiner Mutter: Kaffee, warme Haut, Sicherheitsgurt, feuchte Acrylhandschuhe, Resignation, Basisnote Nivea-Creme.
4. Matchbeutel-Außentasche: Feuchtes Nylon, Steinpilze. Ein Hauch von Haferflocken und Zartbitterschokoladenkeksen.
5. Handgelenk unter dem Uhrarmband: Vaseline, Jod und Banane.
6. Anoraksaum: Apfelbutz, Halogen, Kunstfell, getrocknetes Ketchup.
7. Sit-up-Partner: Tide-Waschmittel, Milch, Terrier und Hubba Bubba Traube.
8. Feuchtes Mannschaftshandtuch: Starke Chlor-Kopfnote, ein Hauch von Knoblauch, Ufersteg und Schwarzbrot.
9. Toilettenkabine in der Damenumkleide: Bleiche, Babypuder, milder Urin und leichter Ammoniak.
10. Trainer: Frische Wäsche, Nylonwindjacke, Mennen-Speed-Stick-Deo, Magic Marker und Mortadella.
11. Kissen: Chlor, Schimmel, schwacher Nelkengeruch und getrockneter Rotz.
12. Männlicher Mannschaftskamerad: Blauschimmelkäse, Polo-Eau-de-Cologne, Sonnencreme, Bockshornklee.
13. Fingernagel: Chlor, Barbecue-Kartoffelchips, Wollfäustling.
14. Silbermedaille: Erdöl, Nylon, Mineralwasser und Erdbeere.
C ROWN ASSETS
Am Tag vor meinem Hochzeitsempfang finde ich in Toronto keinen Badeanzug. Alles, was es Mitte Februar in den Läden gibt, hat Volants, gepolsterte Körbchen, tropische Muster und ist rückenfrei. Bei Lululemon finde ich einen Zweiteiler, der für Bikram Yoga entworfen wurde.
»Er kann natürlich nass werden«, erklärt die Verkäuferin, »aber er wurde nicht in Chlorwasser getestet, vielleicht verliert er die Farbe.«
Er ist schwarz. Ich nehme ihn.
Der Hotelpool ist fünfzehn Meter lang. Auf einer Seite ist ein Kamin, der nicht brennt, auf der anderen befinden sich eine blau geflieste Dusche und ein paar Stühle und Tische, auf denen kanadische Modezeitschriften herumliegen.
Das Wasser hat Badewannentemperatur. Ich fange mit ein paar Bahnen an, dann beschließe ich, einhundert zu schwimmen. Einhundert ist mein Standardtraining, einhundert Wiederholungen von egal was. Einhundert ist eigentlich gar nicht viel, aber es klingt schön, so wie »eine Stunde«, auch wenn einhundert Bahnen in einem so kurzen Becken keine Stunde dauern, sondern höchstens zwanzig Minuten. An jedem Ende sage ich mir die Zahl vor. Wenn ich mich verzähle, runde ich ab auf die letzte Zahl, an die ich mich erinnere. Beim Schwimmenlasse ich die Gedanken schweifen. Ich rede mit mir selbst. Was ich durch die Schwimmbrille sehe, ist langweilig und verschwommen, bei jeder Bahn der gleiche Blick. Banale, zusammenhanglose Erinnerungen blitzen lebhaft und willkürlich in meinem Kopf auf, eine Diashow buntgemischter Gedanken. Sie leuchten auf und verblassen, wie die Gedanken, die vor dem Einschlafen an einem vorbeiziehen, unwichtig oder mit wachsender Wucht, die sich zu Nervosität auflädt, bevor sie sich wieder auflöst. Jeder Gedanke dauert vielleicht eine viertel oder eine halbe Bahn, manchmal ein paar Bahnen. Ich blubbere meine Antworten auf die Gedanken ins Wasser, nehme Korrekturen an der Vergangenheit vor – Dinge, die ich gerne gesagt hätte oder in der Lage gewesen wäre zu sagen: »Nein, ich möchte nicht auf Ihre Tasche aufpassen.« » Oui, en taille trente-six, s’il vous plaît. « »Deine Frau ist nicht eingeladen.«
Bahn 15, Mein Hund: Ich ging mit meinem Hund zu Fuß die Hälfte der drei Kilometer zum Deli, bis mir einfiel, dass der sonntags schon um 17 Uhr zumacht. Auf dem Rückweg kamen wir an einer Frau vorbei, die mir zulächelte, als sie in ihren Wagen stieg. Sie hatte mehrere Papiertüten im Kofferraum verstaut, die aussahen, als steckten Quilts darin.
Bahn 22, Annette: Einmal beim Spazierengehen. Als wir am Friedhof vorbeikamen, erklärte sie, warum sie uns keine Dankeskarten mehr schreibe, und mir fiel eine in Camouflage gekleidete Person auf, die schnellen Schrittes hinter uns ging.
Bahn 31, Dad: Er trug einen schwarz-orange-gestreiften Schneeanzug. Auf dem Kopf hatte er eine orange-braune Skimaske, die er sich auf die Stirn geschoben hatte. Ich kenne den Geruch der Mütze, erinnere mich, wie ich sie einmal angezogen und mir damit im Spiegel selbst einen Schrecken eingejagt habe. Als wir unsere Straße entlangschlenderten, redete mein Vater von seiner Gesundheit und der Gesundheit des Hundes.
Bahn 35, Eselskostüm: Laura und ich beschließen, James mit seinem Geschenk zu überraschen: einem Eselskostüm. Laura soll es anziehen und aus dem Wald aufs Haus zukommen, und ich weise Bruce an, James in genau einer
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