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Bahnen ziehen (German Edition)

Bahnen ziehen (German Edition)

Titel: Bahnen ziehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leanne Shapton
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Stunde klitschnass sind.
    Im Winter, wenn die Luftfeuchtigkeit im Hallenbad zu hoch wird und die Luft, die wir atmen, zu heiß, stößt Tom die zweiflüglige Stahltür zum Parkplatz auf. Sofort steigt über der Wasseroberfläche eine rechteckige Dampfwolke auf, fast zwei Meter hoch. Die kühlere Luft riecht nach Chlor, und wenn ich durch die Schwimmbrille zu den Deckenlampen sehe, haben sie einen zitronengelben Hof. Das Ende der Bahn ist nur unter Wasser zu sehen.
    Nach dem Samstagstraining stellt sich Tom mit einem Pappbecher Automaten-Kaffee und einem Karton mit vierzig Tim-Hortons-Donuts an den Bänken vor der Umkleide auf. Es ist immer nur eine Sorte Donuts, meistens Zucker- oder Schokoladenguss. Das fasziniert mich. Eigentlich gehe ich davon aus, dass eine größtmögliche Auswahl das Beste ist – mein demokratischer Glaube an die Vielfalt. Aber die Konzentration auf eine gute Sorte Donuts hat etwas von Luxus. Vielleicht war sich Tom auch bewusst, dass von der Vielfalt immer ein paar verschmähte Nachzügler in der Schachtel zurückbleiben.
    Während wir auf unsere Eltern warten, nehmen wir uns ein oder zwei Donuts und flachsen mit Tom. Die drei älteren Jungs, die selbst zum Training fahren, ignorieren die Donuts und gehen an uns vorbei, treten die Tür auf und hasten über den verschneiten Parkplatz zu ihren Autos.
    Innerhalb eines Jahres, in dem ich mich stetig verbessere und bei den Wettkämpfen gute Plätze erreiche, werde ich in die Fortgeschrittenen-Gruppe bei Trainer Greg befördert, was bedeutet, dass Derek und ich fortan getrennt trainieren. Einmal die Woche fährt meine Mutter nach dem Morgentraining mitmir zu Country Style, einer anderen Donut-Kette, wo ich mir einen Donut aussuchen darf. Ich lasse mir jedes Mal Zeit, bevor ich mich immer für die gleiche Sorte entscheide: den fünf Cent teureren Bayrisch-Creme-Donut. Meine Mutter bestellt sich einen Kaffee und seufzt. Sie seufzt viel. Die Frauen hinter der Theke kennen meine Mutter, doch sie erwidern ihre Freundlichkeit nicht. Meine Mutter macht einen Witz über die Kälte, dann macht sie einer jungen Frau ein Kompliment für ihren Nagellack, und als sie ihren Kaffee bekommt, bedankt sie sich mit einer witzigen Stimme: Tank you veddy much .
    Englisch ist nicht ihre Muttersprache; meine Mutter ist Filipina, und sie spricht ein angenehmes kanadisches Sekretärinnen-Englisch, mit leiser Stimme. Ihre Aussprache ist gut, bis auf ein paar Ausnahmen, wenn sie sich von der Schreibweise in die Irre führen lässt. Dann macht sie Fehler. »Thai food« klingt wie »thigh food«, »Italian« wie »eyetalian«. Sie arbeitet dienstags und donnerstags als Buchhalterin für eine Firma, die Zelte, Planen und Schwimmbadabdeckungen herstellt.
    Mit meinem Bayrisch-Creme-Donut steige ich auf den Rücksitz, lege mich auf den Bauch und ziehe den mittleren Gurt über mich. Wir fahren los. Ich esse langsam, genüsslich und betrachte den Donut nach jedem Bissen.
    Manche Mütter sitzen beim Morgentraining auf der Tribüne und sehen zu, wie wir das Becken durchpflügen, immer auf und ab. Freddys Mutter feuert ihn beim Training an. Meine vertreibt sich die Zeit anders: Wenn es draußen warm ist, stellt sie im Auto auf dem Parkplatz den Sitz zurück und macht ein Nickerchen. Oder sie fährt wieder nach Hause, um etwas ausgiebiger zu schlafen, und stellt den Wecker auf zehn vor sieben. Manchmal schlägt sie die Zeit im Donut-Laden tot, wo sie mit anderen Müttern und gelegentlich einem Vater Kaffee trinkt.
    Ich mag es nicht, wenn mir meine Mutter beim Training zusieht, und irgendwann sage ich meinen Eltern, es wäre mir lieber, wenn sie auch nicht zu den Wettkämpfen kämen. Es hat mit dem Gefühl zu tun, beobachtet zu werden, gesehen zu werden – mein Körper ist mir peinlich –, und damit, mein Territorium abzustecken. Meine Eltern respektieren das und halten sich zurück; meine Mutter bringt mich zum Training und holt mich ab, bringt mich zu Vorläufen und Finals und holt mich ab.
    Als wir auf dem Weg zu einem Final rückwärts aus der Einfahrt fahren, steht mein Vater am Wohnzimmerfenster. Er hebt die Hand, macht das »Victory«-Zeichen und grinst. Ich sehe zu ihm hinüber, bis er vom Ahornbaum verdeckt wird. Während ich die Füße aufs Armaturenbrett lege, frage ich mich, was er jetzt tut. Manchmal sieht er dem Wagen nach, bis er verschwunden ist, dann geht er wieder an den Zeichentisch in seinem Atelier und arbeitet weiter am Entwurf einer Schneebürste.
    Mein Vater

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