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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Und spuckten von der Tribüne direkt in Ploteks Gesicht. Und in Wennys. Und in Piotrs. Nur in Arnos nicht.
    »So ein Tag, so wunderschön wie heute«, sang der Präsident und seine Frau zeigte ihre entblößten Brüste, die aussahen wie Auberginen. »Gute Ernte, so eine gute Ernte!«, rief sie.
    Plotek krümmte sich noch immer am Boden, während Piotr, Wenny und alle anderen, auch Maike, sich jetzt gegen ihn verschworen, um den Fans zu imponieren. Es funktionierte. »Ihr seid das Spiel!«, riefen die Fans und alle traten auf Plotek ein. Mit Fußballschuhen – Volley, Pieke, Spann. Als wäre Ploteks Kopf ein Ball und weil das Runde ohnehin ins Eckige muss.
    »Aufhören, bitte aufhören«, schrie Plotek. Aber denkste. »Weiter, immer weiter, ihr Germanen«, befahl der Präsident und die Frau neben ihm lachte und zeigte auch ihren runzligen Bauch, der aussah wie ein Ball ohne Luft und auf dem das Wort »schön« eintätowiert war. Auf dem Platz ging es jetzt erst richtig los: Ploteks Kopf war nun der Ball und der wurde in elegantem Kurzpassspiel hin und her gekickt, bis er schließlich nach einer missglückten Bogenflanke im Netz zappelte. Ein Pfiff ertönte, der stärker schmerzte als alle Fouls zusammen. Der bekannte Fernsehmoderator Rainer von Plorre meldete sich getarnt als Stadionsprecher zu Wort: »Wer so dumm läuft, der kann nicht anders.«
    Dann wieder ein Pfiff und Plotek schlug, noch immer auf dem Boden liegend, die Augen auf.
    Plotek dachte, das ist kein Boden, kein Rasen, kein Stadion, kein Fußballspiel. Dann, das ist weder Wenny, Piotr, Rainer von Plorre, Maike noch der russische Präsident a.D. Und drittens, wer ist das dann? Plotek sah in einen Rauschebart. Dann sah er gelbe, kaputte Zähne, ein Lachen, einen Mann.
    »Wolle?«
    »Da, lies.«

    Plotek saß schon am frühen Nachmittag im Zapfhahn , wo er immer wieder einnickte. Als Wolle ihm die ›Hamburger Morgenpost‹ auf den Tresen schob, schreckte er hoch. Zwei mysteriöse Morde in einer Nacht, stand auf der Titelseite in daumengroßen Buchstaben. Daneben die Porträts zweier lachender, vergnügt wirkender Menschen. In der Zeile darunter wurde das Grauen konkret. »Der Torwarttrainer der Spielvereinigung Werner S. wurde im Stadion tot aufgefunden«, stand da und »Hafenarbeiter entdecken den sympathischen Starreporter Rainer von Plorre ermordet am Hamburger Hafen. Näheres auf Seite 2.« Man hätte denken können, Plotek hätte sofort weitergeblättert. Aber vergiss es. Er rührte die Zeitung nicht an, sondern nahm einen Schluck aus seinem Weißbierglas und rülpste lautlos. Wolle war über so viel Desinteresse sichtlich erstaunt.
    »Interessiert dich nicht, was?«, fragte er.
    »Hm«, machte Plotek und dachte, na ja, interessieren würde es mich schon, aber kann das nicht noch einen Moment warten. Oder zwei. Tot sind sie ohnehin, da spielt doch die Zeit keine Rolle mehr, oder? Für Wolle offenbar schon.
    »Na gut, erzähl ich es dir eben«, sagte er, beugte sich über den Tresen zu Plotek, steckte sich eine Zigarette mit verbotenen Substanzen an, zog einmal kräftig daran und legte los.
    »Rainer von Plorre, du weißt schon, dieser telegene Labersack, ist gestern Nacht ziemlich übel zugerichtet am Hafen in der Nähe der Landungsbrücken aufgefunden worden – tot. Na ja, bei seinen haarsträubenden Moderationen und Fußballübertragungen ist das eigentlich kein Wunder, könnte man denken, da ist eben ein völlig entnervter Fan einfach mal durchgeknallt, hat diese rhetorischen Feigaufschwünge nicht mehr verkraftet, die Vergewaltigung der
    Sprache und den Missbrauch gerächt und ... Batsch!... zugeschlagen. «
    Wolle ließ seine große Hand auf den Tresen sausen, dass es klatschte, und Plotek glaubte, ihn dabei grinsen zu sehen.
    »Der Plorre ist erschlagen und dann erstochen worden oder umgekehrt, so wie es aussieht«, fügte Wolle hinzu, streichelte seinen grauen Rauschebart, sah zur Decke, als ob sich da etwas verbergen würde, und beugte sich noch ein wenig näher zu Plotek. »Auf jeden Fall wurde er blutüberströmt und mit 23 Messerstichen aufgefunden, wie die Obduktion ergab.«
    Jetzt gab es Plotek einen Stich ins Herz.
    »23 ?«
    Nicken von Wolle. Hat ihm das Klappmesser auch nichts geholfen, dachte Plotek, hätte er sich lieber eine kleinkalibrige Pistole kaufen sollen.
    »Das ist aber nicht das Spektakuläre.«
    Wolle machte eine Pause, zog wieder an der dicken Zigarette, hielt die Luft an und ließ den Rauch ziemlich lange in der Lunge,

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