Balla Balla
wunderte sich Plotek und verstand allmählich gar nichts mehr.
»Für ihn gab es nur entweder oder«, sagte Maike und schnäuzte sich die Nase. »Was das bedeutet, ist dir bestimmt klar?«
Plotek dachte nach, und noch ehe er etwas sagen konnte, half ihm Maike auf die Sprünge.
»Eine Schwuchtel als Fußballer – undenkbar.« Sie lachte gekünstelt. »Im Theater ist das normal. Da stolpern mehr Schwule über die Bühne als Heteros. Da wird auch gern mit der homophilen Neigung kokettiert.«
Wieder gekünsteltes Lachen.
»Aber bei Sportlern, bei Fußballern – unmöglich. Was glaubst du, warum ich mich in der Öffentlichkeit immer als Bennys Freundin ausgegeben habe?«
Das war alles nur inszeniert. Theater im Leben.
»Kennst du einen einzigen schwulen Fußballer?«
Plotek brauchte gar nicht nachzudenken und schüttelte sogleich den Kopf.
»Na, siehste. Ist doch komisch, oder? Statistisch betrachtet ist jeder zehnte Mann schwul, glaube ich. Also einer pro Mannschaft. Geht man von einem 2oer-Kader aus, wären das in der ersten Bundesliga fast fünfzig Schwule. Aber nicht ein einziger bekennt sich dazu. Das ist nur logisch. Sonst wirst du in diesem von Machos dominierten Sport nicht mehr ernst genommen. Bei jedem Ballkontakt unterstellt man dir den Warmduscher. Das hält niemand aus. Auch mit dem allergrößten schwulen Selbstverständnis zerbrichst du daran, ob du willst oder nicht. Das wäre das Ende jeder Karriere. Auch das Ende von Bennys Karriere. Das Ende mit nicht mal zwanzig. Da hat niemand ein Interesse daran. Benny nicht und der Fußball auch nicht.«
»Und seine Spielervermittler erst recht nicht«, sagte Plotek. Da geht es nicht nur um den Fußball und um die Karriere, dachte er, da geht es vor allem um Geld. Um viel Geld.
Und dafür wickelt man schon mal einen schwulen Torwarttrainer nackt in ein Netz und setzt ihm einen Fußball auf. Das war nicht nur Mord, das war ein Signal, ein Zeichen, eine Demütigung der Homosexuellen, eine Erniedrigung des Sterbenden und ein Fanal für all diejenigen, die glaubten, mit unaufgeforderten und unbequemen Bekenntnissen andere am Geldverdienen zu hindern.
Das Telefon klingelte. Plotek schaute auf die Uhr, die an der Wand hing. Maike auch. Es war mittlerweile 4 Uhr 20. Vielleicht auch 23 dachte Plotek, so genau war das mit den Zeigern nicht auszumachen.
»Wer kann das denn sein?«, fragte Maike. Sie ließ es noch ein paar Mal klingeln, schließlich hob sie ab. Plotek drückte geistesgegenwärtig auf die Mithörtaste.
»Ist Wenny da?«
Es war Rainer von Plorre, der Starreporter, der da am anderen Ende der Leitung nach Wenny fragte. Er klang aufgeregt und so, als würde er draußen irgendwo am Wasser stehen. Zumindest waren im Hintergrund Wasserrauschen und Möwengekreische zu hören.
»Nein, Wenny ist nicht...«, sagte Maike und unterdrückte ihre Tränen.
Rainer von Plorre sagte nichts mehr. »Scheiße!«, kam es nach einer Weile aus dem Hörer. Plotek war sofort klar, was das bedeutete: Am anderen Ende der Leitung bekamen es 92 Kilo Körpermasse gehörig mit der Angst zu tun.
Ein Auto war zu hören, Bremsen, Türenschlagen, dann ein dumpfer Schlag und ein entsetzlicher Schrei. Dann war wieder eine Stimme, nein, sogar zwei zu hören, nicht aber die von Rainer von Plorre.
»Du alte Drecksschwuchtel, hast gedacht, du kannst uns erpressen, was?!«
Wieder ein Schrei und dumpfes Klatschen.
»Du schwule Sau, na warte!«
Dann waren Geräusche zu hören, die klangen, als würde ein Schädel eingeschlagen, als würden Knochen splittern. Schreckliche Schreie waren zu hören, vermutlich die von Rainer von Plorre.
Dann krächzte der Papagei aus der Küche plötzlich »Arschloch!«, und augenblicklich war Ruhe. Irgendjemand musste das Handy ausgemacht haben oder daraufgetreten sein. Auf jeden Fall war nichts mehr zu hören.
Maike und Plotek sahen sich an.
»Was soll das bedeuten?«, wollte Maike wissen, aber Plotek hatte keine Erklärung parat. Er hatte eine Ahnung, ja, aber Genaues wusste auch er nicht.
»Wie gut kennen sich Rainer von Plorre und Wenny?«, fragte er nur.
»Ziemlich gut.«
Als es draußen allmählich hell wurde und Plotek und Maike noch immer rauchend, bei Wein und Kaffee meist schweigend in der Küche saßen, klingelte es schon wieder. Dieses Mal war es nicht das Telefon, sondern die Türglocke. Maike machte auf und die Polizei stand in der Wohnung. Es war derselbe Kommissar wie im Krankenhaus, neben ihm sein schmalbrüstiger Assistent. Sie
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