Ballard, James G.
sämtlichen irdischen Besitztümern
eines ganzen Stammes beladen war. Der Riese hatte sich einen ehemals
dunkelblauen Kaftan um den Oberkörper geschlungen, unter dem ein Paar
merkwürdiger Hosen begann, das aus Teppichen zusammengenäht zu sein schien. An
den schweren Stiefeln waren hölzerne Stelzen befestigt, die in Sandschuhen
ausliefen und durch ihre Höhe für den gigantischen Eindruck verantwortlich
waren, den die Gestalt auf den ersten Blick erweckte.
Ransom kniete im Wasser und
beobachtete das finstere Gesicht des anderen, aus dem hemmungslose Wut und
blinder Zorn sprachen. Das rötliche Haar umrahmte ein breitflächiges Gesicht,
über dem eine riesige Federkappe saß, an der Ransom zwei schwarze Flügel und
ein langer Hals auffielen.
»Quilter ...!« begann er und erkannte
in diesem Augenblick den ausgestopften schwarzen Schwan. »Quilter, ich ...«
Bevor er aufstehen konnte, setzte
sich die Gestalt plötzlich in Bewegung und stürzte sich mit einem lauten Schrei
auf ihn. Ransom wurde zur Seite ins Wasser gestoßen, spürte ein schweres
Gewicht auf seinem Rücken und bäumte sich vergeblich dagegen auf. Eine harte
Hand hielt seine Schultern nach unten gedrückt, während die linke Faust des
Riesen gegen Ransoms Kopf hämmerte. Ransom rang keuchend nach Luft und sah nur
noch Mrs. Quilter ans Wasser humpeln, wobei sie überrascht krächzte: »Das ist
doch mein Quilty ... Komm her, mein Junge, deine alte Mutter ist gekommen, um
dich zu retten ...«
Eine halbe Stunde später hatte Ransom
sich wieder einigermaßen erholt und lag am Ufer dicht neben dem kühlen Wasser.
Irgendwo hinter ihm schwatzte Mrs. Quilter unaufhörlich. Als Ransom den Kopf
nach ihr umwandte, sah er ihren Sohn schweigend im Sand hocken. Die Alte war so
begeistert über ihren endlich wiedergefundenen Sohn, daß sie ihm jetzt in aller
Eile erzählte, was sie in den letzten zehn Jahren erlebt hatte. Ransom atmete
erleichtert auf, als er hörte, daß Mrs. Quilter begeistert von der wunderbaren
Expedition zur Küste berichtete, die er für sie arrangiert hatte. Als Ransoms
Name fiel, erhob Quilter sich, sah kurz zu Ransom hinüber und ließ sich dann
wieder in den Sand fallen. Während er seiner Mutter zuhörte, neigte er den Kopf
und betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen, als überlege er sich,
welchen Nährwert dieses Bündel Haut und Knochen besitzen könne.
Ransom stand mühsam auf und schwankte
zu den beiden hinüber.
»Doktor ...?« Mrs. Quilter unterbrach
ihren Monolog und schien erstaunt, aber auch erfreut darüber zu sein, daß
Ransom noch imstande war, ihnen Gesellschaft zu leisten. »Ich habe ihm gerade
von Ihnen erzählt, Doktor. Quilty, der Doktor kennt sich wirklich gut mit Autos
aus.«
Ransom murmelte irgend etwas vor sich
hin und schüttelte sich den nassen Sand aus Ärmeln und Hosenbeinen.
Quilter wandte sich an ihn und sagte
mit rauher Stimme: »Lassen Sie die Autos hier lieber in Ruhe, sonst treffen Sie
auf Leichen.« Dann fügte er grinsend hinzu: »Ein Loch bis zur Tür,
hineinschieben und Fenster nach oben kurbeln – das geschieht ihnen recht, was?«
»Klingt wie eine gute Idee«, stimmte
Ransom vorsichtig zu. Er überlegte sich, daß es vielleicht besser war, Quilter
nichts von Philip oder Catherine zu erzählen. Bis jetzt hatte der junge Mann
noch nicht zu erkennen gegeben, wo oder wie er in den Trümmern hauste.
Quilter blieb weitere fünf Minuten
lang schweigend im Sand sitzen und berührte nur gelegentlich seine Felle, während
seine Mutter ununterbrochen schwatzte und nur einmal vorsichtig eine Hand auf
seinen Arm legte. Kurze Zeit später griff er nach dem Schwanenhals, der vor
seinem rechten Auge hing, und nahm die Federkappe ab. Jetzt zeigte sich, daß
sein Kopf völlig kahl war, denn die langen roten Haare, die bis auf seine
Schultern fielen, wuchsen nur an den Rändern einer Tonsur.
Dann sprang er wortlos auf, winkte
ihnen kurz zu und ging auf seinen Stelzen über die Dünen davon, wobei die
Pantherfelle und der Kaftan im Wind wie zerrupfte Vogelschwingen flatterten.
13
Ransom und Mrs. Quilter konnten kaum
mit ihm Schritt halten und fielen allmählich zurück, während er auf seinen
Stelzen rasch und unbehindert vorankam.
Dann erreichten sie ein
schmiedeeisernes Tor, das schräg aus dem Sand ragte, und Ransom wußte
plötzlich, daß sie die Straße entlanggingen, in der er damals gewohnt hatte.
Auf der gegenüberliegenden Seite war das Haus des Reverend Johnstone unter
einer
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