Ballard, James G.
im
Brückengeländer nieder und blieb dort wie ein erschöpfter Hausierer hocken.
Unter ihm ging Philip Jordan über das Flußbett, trug seinen Speer in der Hand
und hatte eine Wasserflasche über der linken Schulter hängen. Catherine Austen
bewegte sich diagonal von ihm fort und blieb am Ufer stehen, als suche sie dort
etwas zwischen dem Treibholz. Nur Mrs. Quilter saß ruhig auf dem Karren unter
dem zerfetzten Sonnensegel, setzte sich dann aber ebenfalls in Bewegung und
kletterte die Böschung hinauf.
Als Ransom zum anderen Ufer
hinübersah, wo er die Überreste seines Hauses zu sehen hoffte, fiel ihm
plötzlich ein heller Fleck auf. Dicht bei Lomax' Villa befand sich ein großer
Teich, dessen blaues Wasser leichte Wellen warf. Ransom beobachtete die
Erscheinung aufmerksam und stellte fest, daß es sich dabei um eine
bemerkenswert intensive Fata Morgana handeln mußte. Das kreisrunde Becken hatte
mindestens dreißig Meter Durchmesser und war von allen Seiten mit einem breiten
Sandstrand umgeben, hinter dem bereits die Sanddünen begannen.
Während er noch auf das Verschwinden
dieser Sinnestäuschung wartete, flatterte ein kleiner weißer Vogel über die
Dünen und ging auf dem Wasser nieder. Er schwebte mit weit ausgebreiteten
Flügeln herab und setzte mit glitzernder Bugwelle auf.
Ransom sprang auf und rannte weiter
über die Brücke. In diesem Augenblick dachte er nicht mehr daran, die anderen
zu verständigen, sondern stieg am gegenüberliegenden Ufer über das niedrige
Geländer und eilte hastig weiter. Alle fünfzig Meter legte er eine kurze Pause
ein und rannte dann wieder durch die Straßen am Ufer.
»Doktor!« Als er über eine niedrige
Mauer kletterte, wäre Ransom fast auf Mrs. Quilter gesprungen, die auf der
anderen Seite im Schatten hockte. Sie sah schüchtern zu ihm auf. Irgendwie
hatte sie es tatsächlich fertiggebracht, in der kurzen Zeit bis hierher zu
kommen. »Doktor«, seufzte sie wehleidig, »ich kann mich nicht mehr rühren.«
Als Ransom weitergehen wollte, holte
sie die andere Wasserflasche hinter ihrem Rücken hervor. »Ich teile ehrlich mit
Ihnen, Doktor.«
»Schön, kommen Sie mit.« Ransom nahm
ihren Arm und half ihr auf. Sie gingen langsam weiter. Mrs. Quilter stolperte
schon bald über einen Draht und blieb keuchend im Sand sitzen. Ransom ärgerte
sich über diese Verzögerung, bückte sich schließlich und nahm die Alte auf den
Rücken.
Überraschenderweise war sie leicht
wie ein Kind, so daß Ransom ohne große Schwierigkeiten vorankam und an einigen
Stellen sogar in einen leichten Trab verfallen konnte. Bevor sie den Fluß aus
den Augen verloren, zog Mrs. Quilter ihn plötzlich am Ohr.
»Doktor, drehen Sie sich noch einmal
um!«
Achthundert Meter hinter ihnen
stiegen unter der Straßenbrücke dichte Rauchwolken aus dem Hausboot auf, das im
Schatten der Pfeiler brannte. Wenige Sekunden später flammte auch der Karren
auf, als habe ihn eine unsichtbare Fackel berührt.
»Macht nichts!« Ransom stolperte
weiter über die Trümmer, bis er endlich die Dünen vor sich hatte, hinter denen
der kleine See liegen mußte. Mit einer letzten Anstrengung überwand er auch
dieses Hindernis.
Dann stand er auf dem höchsten Punkt
der Dünenkette und ließ Mrs. Quilter in den Sand gleiten. Er ging langsam zu
dem klaren blauen Wasser hinunter. Der Wind trieb kleine Wellen ans Ufer, so
daß sich der weiße Sand an diesen Stellen dunkel färbte. Ransom hatte
unwillkürlich den Eindruck, dieses kleine Reservoir sei vom Himmel gefallen und
verkörpere eine Destillation allen Regens, der in den vergangenen zehn Jahren
ausgeblieben war.
Als er nur noch drei Meter vom Wasser
entfernt war, rannte er plötzlich los und stolperte durch den weichen Sand. Der
kleine Vogel, den er zuvor beobachtet hatte, schwamm etwas weiter in den See
hinaus und beäugte ihn von dort aus mißtrauisch. Ransom kniete im seichten
Wasser am Ufer, badete Kopf und Gesicht darin und ließ die kalte Flüssigkeit
durch sein fadenscheiniges Hemd dringen. Die Dünen am gegenüberliegenden Ufer
schienen in diesem Augenblick unendlich weit entfernt zu sein.
Der Vogel stieß einen kurzen Schrei
aus und flog auf. Ransom drehte sich um, blieb aber im Wasser. Hinter ihm stand
ein Riese im Sand.
Die über zwei Meter große Gestalt mit
den unglaublich breiten Schultern trug einen losen Umhang aus Pantherfellen und
eine riesige Federkappe, so daß Ransom zunächst den Eindruck hatte, einem
primitiven Idol gegenüberzustehen, das mit
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