Ballast oder Eva lernt fliegen
Münze!) gab sie zu verstehen, dass es da noch einen anderen Mann in ihrem Leben gebe... – die Kämme schrumpften auf unter Normalmaß - ... dass sie, Eva, nach diesem unglaublich fantastischen Abend nun völlig verunsichert... – Die Herren, übrigens beide, jeder an seinem Abend, exakt an dieser Stelle, unterbrachen Eva, um ihr zu versichern, dass sie verstünden. Der eine ging gar so weit, sich für die Verführung zu entschuldigen, schwor Diskretion und erklärte, dass er keinerlei Ansprüche an Eva stelle, gleichwohl aber die Hoffnung nicht ganz aufgeben wolle.
Eva machte zu dieser, ihrer Ansicht nach völlig überflüssigen Zartfühligkeit ein dankbares Gesicht, strich den Herrn aber im selben Augenblick gedanklich von ihrer Liste. Drei Tage zuvor war sein Konkurrent erst vor Eva auf die Knie gefallen und kurz darauf fast handgreiflich geworden und hatte damit seine Besitzansprüche klar gefestigt.
Der Auserwählte stand nun also fest. Es war jener gesichts- und namenlose Ingenieur, dessen Verrat zum Wendepunkt in Evas Leben werden sollte. Fast neun Monate, bis zu ihrem vierzigsten Geburtstag, ließ Eva ihm Zeit zu erkennen, was er an ihr hatte. Unbehindert von Kindern oder mädchenhafter Scheu war sie ihm die perfekte Freundin und Geliebte. Ein einziges Mal nur offenbarte sie ihm, wie sehr es sie immer geschmerzt habe, ihrem so bedeutungsvollen Geburtstag ohne Ehegatten an ihrer Seite entgegenzusehen. Da nahm der Ingenieur sie in den Arm, schaute ihr tief in die Augen und versicherte ihr, dass sie nun nicht mehr alleine sei. Alles lief perfekt, selbst die Hochzeitsreise plante Eva schon. Als einziger Wermutstropfen blieb die Tatsache, dass das große Fest erst nach ihrem Vierzigsten stattfinden würde.
Kurz vor letzterem hatte ihr Freund beruflich in Italien zu tun und versprach ihr, dort über ein schönes Geburtstagsgeschenk nachzudenken. Es waren nun noch viereinhalb Wochen bis zu ihrem ungeliebten großen Tag. Doch die Angelegenheit in Italien erwies sich als unerwartet kompliziert. Aus acht Tagen wurden erst zwei, dann drei Wochen. Dann vier. Endlich kam der erlösende Anruf: Am Vorabend ihres Geburtstages sei er zurück, er habe bereits einen Tisch im Saltimbocca bestellt. Aufgekratzt hatte er gewirkt, wollte sie unbedingt sprechen, nicht am Telefon, dafür sei ihm die Sache zu wichtig.
Ein klarer Fall für das GP. Zum ersten Mal war Eva so aufgeregt, dass sie nicht einmal sich selbst weismachen konnte, sie würde meditieren. Stattdessen überlegte sie im Lotossitz fieberhaft, was sie anziehen sollte, welches Rot wohl seine Rosen haben würden und ob er altmodisch genug war – oh bitte, ja! – ihr einen Verlobungsring zu schenken...
Viermal kleidete Eva sich vollständig um, und kurz bevor sie das Haus verlassen musste, entschloss sie sich ein drittes Mal für ein gänzlich anderes Make-up. Sie sang vor Freude, als sie sich hektisch abschminkte, und ihr Herz klopfte aufgeregt, während sie sich einen neuen Anstrich verpasste. Sehr spät, zu spät, verließ sie die Wohnung, alles stehen- und liegenlassend, wo es sich gerade befand. Auch den Make-up-Entferner, den sie, wir wissen es bereits, schon viel zu bald vergeblich suchen wird.
Ja, es hätte ein fantastischer Abend sein sollen. Ein wunderbarer, triumphaler. Der entscheidende Coup vor ihrem Geburtstag. Doch zwei Stunden später saß Eva nicht, wie sie es hätte sollen, in der hübschen Fensternische des Saltimbocca , tauchte nicht den Löffel in Tonis unvergleichliches Tiramisu, krönender Abschluss eines in jeder Hinsicht großartigen Abendessens. Nein. Eva durchwühlte mit zittrigen Händen ihr Badezimmerschränkchen auf der Suche nach einer banalen Plastikflasche.
Ihr Suchen und Tasten wurde immer verzweifelter und blinder und so kam, was kommen musste: Eine bunte Kaskade von Tiegeln, Fläschchen, Tuben und Dosen ergoss sich ihr über Hände und Waschtisch, und was genug Schwung mitbrachte, das zerschellte auf dem harten Weiß der Bodenfließen. Eva zuckte zurück, wischte sich die Tränen aus den Augen und starrte auf die Schweinerei zu ihren Füßen. Fast hätte sie hysterisch aufgelacht, denn eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Vitello Tonnato, das sie ihrem treulosen Ingenieur ins Gesicht und auf die weiße Hemdbrust geklatscht hatte, war nicht zu leugnen. Als sie dann die verspiegelten Schranktüren zuwarf, musste sie sich eingestehen, dass die Verwüstung in ihrem Gesicht der auf ihrem Fußboden in nichts nachstand. Eva warf stolz
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