Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Uwe Kabella war über Wiegeles Anruf zunächst etwas verärgert gewesen. Nachdem er aber den Grund für die Störung ausgerechnet nach dem unglücklichen 0:1, bei dem sich Lederer wie ein Anfänger verhalten hatte, erfuhr, war er heilfroh. In doppelter Hinsicht natürlich. Jetzt konnte er Toby Nachen ohne Bedenken aufs Feld schicken. Ein wenig wollte er aber noch abwarten, ein Patzer konnte schließlich jedem einmal passieren.
Vor allem musste er seinem Tormann Nummer eins die Chance geben, die frohe Nachricht zu verarbeiten.
Inzwischen hatte Bleiheimer einen Freistoß aus der eigenen Hälfte hoch nach vorne gegeben. Der Ball wurde von Achenbusch mit dem Kopf zu Wernecke weitergeleitet, der den in der Mitte durchgehenden Schultheiß mit einem idealen Pass in Schussposition brachte. Da konnte sich Ferdie Bauer im Strafraum der Ösis nur mehr mit einer unsauberen Attacke helfen. Die Notbremse kam zwar etwas zu spät, aber Henning hatte damit gerechnet und ließ sich wunderschön fallen. Und Señhor Madrilaga aus Toledo pfiff auch sofort ab. Als er auf den Elfmeterpunkt deutete, schrieb man exakt die 37. Minute in diesem Spiel der Spiele.
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Konsul Kehl, der in der Stadt aufgehalten worden war, hatte sein reserviertes Plätzchen im VIP-Klub des Prater-EKZs kurz nach dem Ausgleich zum 1:1 eingenommen. Den zunächst verschossenen Elfer hatte er gar nicht gesehen, sondern erst die Wiederholung, die durch das zu frühe Hineinlaufen Mundelers in den Strafraum notwendig geworden war. Also der Schiedsrichter aus Spanien war wirklich klasse, auch wenn dieser Wiener Pöbel ihn gellend auspfiff.
Anselm Wiegele und Florian Nowotny hatten den Konsul gleich nach Betreten des abgesperrten Bereichs vor und unter dem ›Baum des Lebens‹ erkannt und sichere Beobachtungsposten bezogen. Per Handy wies der Hauptkommissar die beiden anderen »Musketiere« an, sich von jetzt an ausschließlich auf Dr. Matreier zu konzentrieren. Oder wie immer Kehl junior heute auftreten würde.
Wiegele hatte sich beim Elektronikmarkt, etwa 25 Meter von Kehl senior entfernt, positioniert. Umgeben von mehreren Männern, die das Spiel auf einem großen Bildschirm verfolgten, fühlte er sich gut getarnt. Obwohl es eigentlich auffallen musste, dass er als Einziger den Blick vom Monitor abgewandt und dafür das Geschehen auf der großen Plaza im Auge hatte.
Inzwischen war die erste Halbzeit schon in der Nachspielphase, drei Minuten laut Anzeige des vierten Mannes an der Linie. Die Österreicher, mit dem Unentschieden zur Pause offenbar hochzufrieden, waren in Gedanken schon in der Kabine. Sie schoben sich den Ball lustlos zu, nur darauf bedacht, ihn bloß nicht mehr zu verlieren.
Als der Schiedsrichter dann endlich auf seine Uhr blickte und alle auf den erlösenden Pfiff warteten, machte Axel Paulsen, der Benjamin des DFB-Teams und begnadete Mittelfeldstar vom Bökelberg, etwas scheinbar total Verrücktes. Er sprintete plötzlich in einen abgerissenen Pass Langers zu Buchinger hinein und dann weiter zum österreichischen Tor. In diesem hatte sich Erwin Pobacker kurz zuvor umgedreht, um seine Trinkflasche aus der Ecke zu holen. Der österreichische Keeper schickte sich gerade an, das Ding aus Plastik an sich zu nehmen, als ihn die Reaktion der Zuschauer wie auch die Zurufe seiner Kameraden Schlimmes erahnen ließen.
Obwohl er die Flasche sofort wieder fallen ließ und sich umdrehte, war es schon zu spät. Der äußerst glückliche Schlenzer des 19-jährigen Paulsen ging genau über der Trinkflasche Pobackers ins Netz und erwischte den erfahrenen Tormann damit auf dem völlig falschen Bein.
Der Torpfiff des Schiedsrichters ging nahezu nahtlos in den Pfiff über, mit dem er die erste Halbzeit beendete. Glücklich fielen sich die deutschen Spieler und Betreuer in die Arme. Das 2:1 noch vor der Pause, Mensch, das war schon was! Das fand auch Wiegele.
Der Hauptkommissar in Diensten des DFB war happy und achtete daher auch nicht auf die ältere Frau, die hinter ihm stehen geblieben war und ihn unauffällig musterte.
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In der Pause war Helmut Wallner siedendheiß eingefallen, dass er in der Hektik des heutigen Tages ganz vergessen hatte, den Schweizer Kollegen anzurufen und ihn zu bitten, den Verantwortlichen beim Europäischen Fußballbund Entwarnung zu geben. Die würden sicher sehr erleichtert sein, zu hören, dass sich der Verdacht auf Schiedsrichterbeeinflussung und Ergebnismanipulationen in nichts aufgelöst
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