Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Außerirdischer vor ihm. »Ja?«
»Erinnern Sie sich an mich?«
Baltasar stellte sich mit Namen und Beruf vor und erzählte, woher er kam. »Wir hatten über ein Objekt gesprochen, über eine Art Eiszapfen aus Glas.«
Helfers Augen verengten sich zu Schlitzen. »Aus welchem Ort, sagten Sie, sind Sie noch?«
Baltasar wiederholte den Ortsnamen.
»Nein, ich kann mich nicht an Sie erinnern.« Es klang unwirsch. »Wissen Sie, als Künstler wird man von vielen Menschen angesprochen. Tut mir sehr leid, aber ich muss jetzt gehen.« Der Mann versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben.
Doch Baltasar blockierte ihm den Weg. »Es dauert nur eine Minute. Es ist so: Ich habe Sie bei der Beerdigung von Anton Graf gesehen, der vor Kurzem hier in Zwiesel ermordet wurde, ganz in der Nähe von dieser Schule. Ich würde gerne von Ihnen wissen, was Sie mit Herrn Graf verband.«
»Was soll das? Wird das ein Verhör? Muss ich mich vor einem Pfarrer rechtfertigen, warum ich zu Beisetzungen gehe? Und warum haben Sie bei Ihrem ersten Besuch nichts davon gesagt, dass Sie mit diesem Graf bekannt sind?«
»Sie waren nicht allein, sondern zusammen mit dem Schulleiter und Herrn Kehrmann. Und warum haben Sie und Ihre Freunde sich am Grab so despektierlich verhalten?«
»Jetzt reicht’s mir aber!« Er wurde sichtlich wütend. »Das muss ich mir nicht bieten lassen! Ich bin Künstler. Und als Künstler tut man manchmal Dinge, die anderen Menschen seltsam vorkommen mögen. Dieser Graf ist Vergangenheit. Ich beschäftige mich mit der Zukunft. Und jetzt muss ich wirklich gehen!«
Er marschierte eiligen Schrittes davon.
In der Werkstatt arbeiteten mehrere Schüler an Schleifmaschinen. Einige polierten die Oberflächen von Vasen auf Hochglanz, andere schliffen Muster in Glasobjekte.
Marlies saß in einer Ecke und skizzierte Entwürfe.
»Marlies?« Baltasar tippte ihr auf die Schulter.
Sie schreckte hoch.
»Könnten wir uns noch mal kurz unterhalten? Es ist sehr wichtig.« Er zeigte nach draußen.
Sie folgte ihm unwillig hinaus in den Hof.
»Herr Pfarrer, was ist denn jetzt schon wieder? Ich bereue es, dass ich mit Ihnen gesprochen habe. Nun werde ich Sie anscheinend nicht mehr los. Machen Sie schnell, ich habe nicht viel Zeit.« Sie zündete sich eine Zigarette an.
»Wissen Sie, was mit Valentin passiert ist?«
»Mann, haben Sie schon mal was von Handys und Internet gehört? Natürlich weiß ich, dass er von der Polizei abgeholt wurde! So was verbreitet sich wie ein Lauffeuer.«
»Ich war beim Verhör in Passau dabei. Wissen Sie, dass Valentin unter Mordverdacht steht?«
»Schmarrn! Er ist nur ein Zeuge, sonst nichts. Oder?« Ihre Stimme hatte die Sicherheit verloren.
Baltasar informierte sie über den neuesten Stand der Dinge. »Auf den ersten Blick sind diese Indizien äußerst belastend. Und er hat die Polizei vorher angelogen. Das macht sich nicht gut.«
Marlies ließ vor Schreck ihre Zigarette fallen. »Sagten Sie echtes Blut? Vom Ermordeten? Heilige Scheiße!«
»Wenigstens hat sich das noch nicht rumgesprochen, es wäre nicht gut für Valentin. Seine Mutter hat einen Anwalt engagiert, der versuchen wird, eine Entlassung zu erwirken.«
»Sie meinen, er muss sonst länger im Knast bleiben?« Sie versuchte, sich eine neue Zigarette anzuzünden, aber ihre Hände zitterten so stark, dass es erst nach dem dritten Anlauf gelang.
»Momentan ist er in einer Zelle der Kriminalinspektion Passau untergebracht. Ich weiß nicht, wann er verlegt wird. Ich weiß nur, dass wir was tun müssen, um ihn da rauszuholen.«
»Wir? Sind Sie anderer Meinung als die Bullen?«
»Sagen wir so: Ich glaube ihm und will ihm helfen. Aber glauben ist das eine. Fakten sind das andere. Die Behörden brauchen Fakten. Und da könnten Sie uns helfen, Marlies.«
Sie drückte ihre Zigarette aus. »Ich? Was meinen Sie damit?«
»Sie waren bei der Auseinandersetzung zwischen Valentin und Anton Graf auf dem Spielplatz dabei. Sie wissen, was passiert ist. Sie müssen etwas gesehen haben!«
»Ich hatte Ihnen doch schon …«
»Das reicht nicht! Denken Sie nach. Schließlich geht es um Valentin. Also, erzählen Sie!«
»Ich habe Ihnen schon alles erzählt. Ich habe den Ablauf nicht genau mitgekriegt, der Streit mit dem Typen hatte sich hochgeschaukelt, Valentin war auf ihn los, und dann habe ich gesehen, dass dieser Graf wegrannte.«
»Ist es möglich, dass Anton geblutet hat? Dann muss der Schlag doch ziemlich heftig gewesen sein.«
»Ich hab’s nicht
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