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Baltrumer Bitter (German Edition)

Baltrumer Bitter (German Edition)

Titel: Baltrumer Bitter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Barow
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Immer schneller tropfte das Wasser über den Rand der Plastikbank zielgenau
in seinen Rucksack, der mit geöffnetem Reißverschluss auf den Feierabend
wartete. Wütend trat Arnold ihn aus der Gefahrenzone. Um die Briefe zu retten,
die ihm seine Frau am Morgen für die Post mitgegeben hatte, kam der Tritt
gerade rechtzeitig. Allerdings mit dem Ergebnis, dass sich der gesamte Inhalt
des grün-blauen Rucksacks unter seinem Schreibtisch ausbreitete. Seine rote
Frühstücksdose machte es sich zwischen den Briefen und zwei Tomaten bequem. Die
Flasche Orangensaft gluckerte unter Protest zwischen seinem Fahrradschlüssel
und einem angebissenen Schokoriegel hin und her.
    Arnold Steenken ließ sich auf seinen Drehstuhl sinken und legte
den Kopf auf die Arbeitsplatte. Exakt in diesem Moment klopfte es leise und
Thea Holle, Sekretärin des Bürgermeisters, steckte ihr Gesicht zur Tür herein.
    »Hallo, Arnold, der Chef möchte dich sprechen.«
    Er stöhnte, dann nickte er ergeben. Was blieb ihm anderes
übrig.
    Thea Holle stand immer noch am gleichen Fleck und musterte ihn
spöttisch. »Ganz schön warm heute, nicht?«
    Sein Oberhemd klebte durchgeschwitzt an seiner Haut. Der
Wunsch, nicht hier, sondern in seinem kühlen Keller zu sitzen, wurde
übermächtig. »Wenn der Herr Bürgermeister möchte, bitteschön, ich komme.«
    Er folgte Thea Holle über den Flur und stand kurz darauf im
Zimmer seines Chefs. »Hallo, Enno, was gibt’s?«
    »Setz dich eben«, sagte der
Mann mit der Stirnglatze auf der anderen Seite des großen Eichenschreibtisches.
Seine Äuglein waren in dem dicken Gesicht fast nicht zu sehen.
    Für einen Moment stand
Arnold die Gestalt des Bürgermeisters in dessen erstem Wahljahr vor Augen.
Damals hatte man ihn noch vorzeigbar nennen können. Nicht nur der weibliche
Teil der Insulaner hatte damals Worte wie »charmant« und »gesellschaftsfähig«
gefunden, und die eine oder andere hatte ihn wohl auch »gut aussehend« genannt.
»Der Typ macht was her«, war der allgemeine Tenor gewesen. Enno Lohmann hatte
es damals geschafft, mit überzeugenden, mitreißenden Auftritten die Insulaner
für sich einzunehmen. Sie fühlten sich von ihm verstanden. »Den Weg gemeinsam
gehen«, war sein Motto gewesen, und die Menschen hatten ihn gewählt.
    Nichts davon war geblieben. Die Worte des Bürgermeisterkandidaten
hatten sich als hohles Geschwätz erwiesen. Die Insulaner hatten erkennen
müssen, dass das einzige Interesse dieses Mannes seiner eigenen Person galt.
Allerdings schlug sich diese Einstellung in keiner Weise in seiner äußeren
Erscheinung nieder. Lohmanns ehemals blondes, gepflegtes Haar war einem
schütteren fettig-grauen Halbkranz gewichen. Er hatte so viele Kilo zugenommen,
dass er sich wie eine wandelnde Tonne ausnahm.
    »Sag mal, ich habe gehört, ihr habt euch neulich getroffen und
wollt eine eigene Partei gründen?«
    Das konnte nicht wahr sein! Wer hatte das schon wieder
rumgetratscht? Sie hatten beschlossen, nichts davon an die Öffentlichkeit
dringen zu lassen, bis die Sache in trockenen Tüchern war. Das fing ja gut an.
Er hätte seinen Vorgesetzten jetzt darauf hinweisen können, dass eine Wählergemeinschaft
rechtlich gesehen keine Partei war, aber das hätte der sowieso nicht kapiert.
    »Woher hast du diese Information?«, fragte er ruhig.
    »Stimmt’s oder stimmt’s nicht?«, blaffte der Bürgermeister.
    »Entschuldige bitte, aber ich glaube, dass ich darüber jetzt
nicht reden möchte. Falls sich etwas tut in der Hinsicht, werden wir natürlich
rechtzeitig vor den Wahlen damit an die Öffentlichkeit gehen. Ich sage: falls!«
    Enno Lohmann war
aufgestanden und stützte sich schwer atmend auf seinem Schreibtisch ab. »Ich
will dir mal was sagen: Überleg dir gut, ob es klug ist, den etablierten Parteien
mit deiner Wünschelrutentruppe – du weißt, was ich meine: Such ich hier
mal was zu meckern, such ich da mal was zu meckern – die Wähler wegzunehmen.
Denn genau diese Parteien haben jahrelang dafür gesorgt, dass dein Arbeitsplatz
erhalten bleibt, vergiss das nicht.«
    Arnold schnappte nach Luft. Was hatten die Parteien mit seinem
Arbeitsplatz zu tun? Solch einen Blödsinn hatte er noch nie gehört. Außerdem:
Nach fünfundzwanzigjähriger Betriebszugehörigkeit stand ein Rauswurf überhaupt
nicht zur Debatte, zumal er Mitglied des Betriebsrates war. »Also ehrlich,
Enno. So geht das nicht. Du willst mir doch nicht drohen, oder? Glaubst du
wahrhaftig, ich würde mich davon beeindrucken

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