Baltrumer Bitter (German Edition)
lassen?« Arnolds Stimme hatte
sich gehoben. Jetzt lief ihm der Schweiß in kleinen Rinnsalen in den Kragen
seines Oberhemdes. Musste er sich das bieten lassen? Was bildete sich dieser
Heini ein?
»›Drohen‹ ist nicht das richtige Wort. Ich möchte dich als
guter Arbeitgeber nur vor den Folgen unüberlegter Handlungen schützen. Drohen,
nein das will ich nicht. Sollte ich je in der Öffentlichkeit hören, dass du das
erzählt hast, werde ich nicht sehr erfreut reagieren, das glaube mir. Da wird
dann Aussage gegen Aussage stehen.« Der Bürgermeister öffnete ein Fenster mit
der Folge, dass weitere heiße Luft das Büro überflutete. Arnold Steenken betete
lautlos darum, dass der Mann die Vorhänge zuziehen möge.
Aber so selten, wie der sein Büro nutzte, war es dem vermutlich
völlig egal. Wenn man Lohmann suchte, fand man ihn meistens mit seinen Anglerfreunden
auf der Buhne. Und wenn er mal an seinem Arbeitsplatz im Rathaus war, verzapfte
er nur Blödsinn. Von Verwaltung hatte der Bürgermeister ohnehin keine Ahnung.
Und die Fehler mussten dann die Mitarbeiter ausbaden. Leider hatte bis jetzt
noch keiner den Vorstoß unternommen, ihn in den Ruhestand zu verabschieden.
Dazu fehlte einfach der Nachweis einschneidender Verfehlungen. Und von selber
würde der nie im Leben gehen. Dazu genoss er das schöne Leben viel zu sehr.
Arnold wollte nur noch nach Hause. Er konnte keinen Moment länger
die Gesellschaft seines Chefs ertragen. »Ich bin nicht nur Gemeindemitarbeiter,
sondern auch Privatmann. Und in diesem Land herrscht Demokratie. Nur zur Erinnerung.«
Ein zynisches Lachen folgte ihm, als er die Tür zum Vorzimmer
öffnete.
Thea Holle war bereits gegangen. Er schaute kurz in sein Büro,
steckte seinen nassen Rucksack und den dazugehörigen Inhalt in eine Plastiktüte
und verließ seinen Arbeitsplatz. Morgen würde er wieder da sitzen. Und
übermorgen und all die nächsten Tage bis zur Rente. Bis dahin blieben noch
einige Jahre.
Er nahm sein Fahrrad aus dem Ständer unterhalb der gläsernen
Eingangstür und fuhr die paar Meter Richtung MittendrinFisch . Dort stand
ein Briefkasten. Nicht, dass er die Briefe wieder mit nach Hause brachte … Es
wäre nicht das erste Mal gewesen.
Woher hatte dieser Kerl nur von der neuen Gruppierung erfahren?
Steenken konnte sich nicht vorstellen, dass Anne Vry, Dietrich Schüttenberg
oder die anderen, die sich in der letzten Woche bei ihm getroffen hatten, ein
Wort davon an die Öffentlichkeit hatten dringen lassen. Aber vielleicht hatten
sie zu Hause etwas erzählt – was eigentlich ganz normal war – und so war die
Geschichte weitergetragen worden. Natürlich waren sie kein konspirativer
Haufen, der etwas zu verbergen hatte. Dann hätten sie sich nicht Wählergemeinschaft
Uns Baltrum nennen dürfen. Sie wollten ja die Insulaner von ihren Meinungen
überzeugen. In absehbarer Zeit standen die Wahlen für den Gemeinderat an. Dort
würden sie sich einbringen.
Am Donnerstag, so hatten sie ausgemacht, wollten sie sich
wieder treffen. Diesmal bei Hermanda. Nägel mit Köpfen machen. Und vielleicht
eine neue kompetente Person finden, die sich für das Bürgermeisteramt auf der
Insel bewarb. Arnold rechnete sich gute Chancen aus, Lohmann ein für alle Mal
loszuwerden. Acht Jahre Amtszeit waren mehr als genug. Dieser Mann war eine
echte Plage. Obwohl er zugeben musste, dass Lohmann ihn zumindest bei allem,
was Arnolds Arbeit anbelangte, normalerweise weitgehend in Ruhe ließ.
Nun war Lohmann durch die Gerüchte, die über die Insel
kreisten, offensichtlich nervös geworden. Bis jetzt hatte der Mann sich auf
seinem Posten absolut sicher gefühlt, nicht zuletzt durch die Leute, mit denen
er sich gerne umgab. Speichellecker, die ihn ständig wie Majestix, den alten Gallier,
auf dem Schild ihrer zweifelhaften Werte vor sich hertrugen.
Als Arnold die Gartenpforte zu seinem Grundstück öffnete, stieß
er beinahe mit einer jungen Frau zusammen. »Oh, Entschuldigung. Ich hätte Sie
fast übersehen. Das fehlte noch, dass ich gedankenlos unsere Gäste über den
Haufen fahre. Sie sind doch unser neuer Gast, oder? Ich bin Arnold Steenken.«
Die Frau lachte. »Klara Ufken. Und nein, ich stehe hier nicht,
um Ihnen einen Teppich zu verkaufen. Ja, ich bin Ihr neuer Gast. Auf dem Weg zum
Strand.«
Er sah in ein fröhliches Gesicht, das von beeindruckend grünen
Augen dominiert wurde. Sie schlängelte sich an ihm vorbei auf die Straße und
ließ einen Hauch Parfüm zurück, der ihn an die
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