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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Hauptkommissar«, lächelte Claudia Jung.
    Als sie die Tässchen zum Tisch brachte, schob Werner seinen Teller beiseite, um ihnen Platz zu machen.
    Â»Könntest du das Ding bitte vor die Tür bringen? Der Wirsing riecht so intensiv«, bat Claudia Jung bestimmt.
    Werner sah erstaunt erst sie, dann den Teller an, bevor er ihn nahm und im Gang auf ein Fensterbrett stellte.
    Â»Ich bring ihn später runter«, sagte er. »Aber jetzt fang schon an. Wie war denn die Vernehmung unserer hübschen Täterin?«
    Â»Hübsch findest du die? Auf mich wirkt sie eher …«, ihre Augenbrauen schoben sich zusammen, »eher wie … wie eine Puppe. Als wäre sie ganz hohl, alles nur Außenseite.«
    Werner lächelte spärlich. »Aber es ist eine sehr gepflegte Außenseite.«
    Â»Ja, genau, die pflegt sie mit großer Intensität. Sie arbeitet hart an dem Bild, das sie der Welt von sich präsentieren muss. Ihre Körpersprache ist faszinierend, aber es wird einem angst dabei.« Claudia Jung sah Werner nachdenklich an. »Ich schlage vor, dass ich dir zunächst mal eine Zusammenfassung der Vernehmung gebe. Entscheidende Szenen können wir uns dann ja noch einmal auf dem Video ansehen.«
    Der neue Vernehmungsraum mit der Möglichkeit der audio-visuellen Aufnahme eines Gesprächs war ein Pilotprojekt der bayerischen Polizei und der ganze Stolz der Bamberger Kripo. Doch da das Ganze noch mit allerlei Kinderkrankheiten behaftet war und manchmal unvermutet ausfiel, waren sie angewiesen worden, weiterhin persönlich die Gespräche zu protokollieren.
    Werner lehnte mit seinem Espresso in den Händen an der Wand.
    Â»Also schieß los!«, sagte er.
    Â»Am Anfang war es ziemlich mühsam. Sie rede grundsätzlich nur mit dem Chef, also mit dir, meinte die feine Dame. Ich hab ihr dann klargemacht …«
    Â»Oh ja, das kann ich mir vorstellen«, lachte Werner. »Du kannst, glaub ich, ziemlich überzeugend wirken.«
    Â»Na ja, am überzeugendsten wirkte die Frage, ob sie mit der Videoaufzeichnung einverstanden sei. Sie setzte sich in Positur wie im Fernsehstudio, strich sich immerzu mit ihren lackierten Fingernägeln das Haar zurück, und von da an redete sie wie ein Buch.«
    Claudia Jung rückte ihren Notizblock zurecht.
    Â»Okay, sie heißt Rita Gerstner, ist sechsundvierzig Jahre alt und wohnt in Nürnberg. Als Beruf gab sie an, ›Stilberaterin in einem großen Bekleidungsgeschäft in der Nürnberger Innenstadt‹ zu sein. Tatsächlich ist sie einfach Verkäuferin bei C & A . Aber das brachte sie fast nicht über die Lippen. Es sei ja nur vorübergehend, bis sie etwas Besseres gefunden habe; sie sei ja erst vor Kurzem aus dem Ausland zurückgekommen.«
    Werner schlürfte seinen letzten Schluck Kaffee. »Wo war sie denn?«
    Â»Sie behauptete, sie habe sich ›den Wind der großen weiten Welt um die Ohren wehen lassen‹.« Claudia Jung imitierte den affektierten Tonfall von Rita Gerstner täuschend echt. »Sie hat es wohl nirgends lange ausgehalten; sie erwähnte die USA , Lateinamerika, Australien. Sie sei sehr sprachbegabt, und es falle ihr leicht, sich einzugewöhnen.«
    Â»Warum ist sie denn überhaupt weggegangen?«
    Â»Da war ihre Aussage sehr … nun, etwas ungenau, freundlich gesagt. Sie sprach davon, dass sie nicht die gleiche Luft wie der ominöse Verräter atmen wollte. Darauf werden wir sie später noch einmal ansprechen müssen. Sie kam dann mit allen möglichen Bibelzitaten daher; sie sagte, sie habe sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Alten Testament beschäftigt, und offenbar hat sie das schwer beeindruckt. Ich habe das abgebrochen, weil ich mir zunächst noch ein besseres Bild von ihr machen wollte. Ich wollte wissen, warum sie sich so … so deviant verhalten muss.«
    Â»Deviant, aha!« Werner grinste spöttisch. »Bestimmt war wieder eine schwere Kindheit schuld!«
    Claudia Jung nickte, etwas reserviert. »Jaa, genau das denke ich. Das war ziemlich grässlich, was sie über ihre Kindheit erzählt hat.« Sie blätterte die nächste Seite in ihrem Block auf. »Als Erstes betonte sie, dass sie die Tochter von Franz Novak sei. Darauf ist sie offensichtlich besonders stolz. Sie bezeichnete ihn als ›Märtyrer der Freiheit‹ und beschwerte sich, dass es noch kein Franz-Novak-Museum

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