Bamberger Verrat
wenn er etwas gut gemacht hatte, wie eine zufriedene Katze.â¹Â«
Rita Gerstner blickte auf und schien in die Gegenwart zurückzukehren. Mit einer arroganten Kopfbewegung warf sie ihr Haar zurück und lachte. »Er hat mir auch das SchieÃen beigebracht. Er wollte wissen, ob ich die Begabung meines Vaters geerbt hätte. Und ich wurde ziemlich gut. Mein Talent war unübersehbar.«
Claudia Jung drückte die Stopptaste und seufzte.
»Das musste ja schiefgehen. Verstehst du, dieses Kind wurde nie als es selbst wahrgenommen, es hat für seine Bezugspersonen immer nur ein Bild erfüllen müssen, das die sich von ihm gemacht hatten: Für seine Mutter war es die Modeschöpferin, die sie selbst nicht werden konnte, für die Stiefmutter eine Pflicht, die erfüllt werden musste, für den Onkel die Wiederholung des kleinen Bruders. Das sind, soweit ich weiÃ, die klassischen Voraussetzungen für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung.«
Werner sah Claudia Jung skeptisch an. »Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung? Sag mal, hast du Psychologie studiert?«
»Ich habe ein paar Kurse besucht, ja. Und Narzissmus gehörte zum Unterrichtsstoff. Vieles, was Rita Gerstner so von sich gibt, passt genau in dieses Persönlichkeitsbild: die extreme Ich-Bezogenheit, eine davon geprägte sehr schräge Wahrnehmung der Realität, das arrogante Verhalten, das eine tiefe Unsicherheit verbirgt. Durch die seelischen Verletzungen in der Kindheit â¦Â«
Werner stöhnte. »Ihr Frauen mit eurem ewigen Verständnis! Das klingt ja fast, als hättest du Mitleid mit ihr? Ich finde sie, ehrlich gesagt, einfach nur zum Kotzen.«
Claudia Jung sagte ärgerlich: »Ach verdammt! Es ist doch ein Unterschied, ob ich etwas verstehe oder ob ich es akzeptiere! Ich kann doch versuchen zu verstehen, warum ein Mensch so handelt, wie er handelt, und dieses Verhalten trotzdem ablehnen. Und ja, dieses Kind tut mir leid, und ja, diese Frau finde ich auch schrecklich.«
Werner machte eine unwillige Geste. »Und wie ging es dann weiter?«
»Das war es eigentlich im Wesentlichen.« Claudia Jung sah noch einmal ihre Notizen durch. »Ich dachte, die Befragung zu den Taten würdest du gern selbst machen.«
»Okay, packen wirâs an.«
Werner ging zum Telefon und ordnete die erneute Vorführung von Rita Gerstner an. Er wirkte nicht sehr freundlich.
Als Werner den Vernehmungsraum betrat, sah Rita Gerstner erfreut auf. Er setzte sich ihr gerade gegenüber und betrachtete sie mit schmalen Augen. Rita Gerstner versuchte zunächst, mit diesem Blick zu kokettieren, senkte dann aber gespielt mädchenhaft die Lider.
»Warum haben Sie Staatsanwalt Berg angeschossen?«, fragte Werner unvermittelt.
Rita Gerstner lächelte. »Aber Herr Kommissar, er hat mich niedergeschlagen«, antwortete sie sanft und fügte dann lauter und empört hinzu: »Mit einem Fleischklopfer!« Der Fleischklopfer war deutlich hörbar unter ihrer Würde. »Da hat er doch eine kleine Lektion verdient!«
»Eine kleine Lektion?« Werner sah sie fassungslos an. So schnell hatte ihn selten jemand aus dem Konzept gebracht.
»Ich hätte ihn doch auch erschieÃen können, nicht wahr?« Wieder diese sanft lächelnde Stimme. »Auf die Entfernung? Ich schieÃe ziemlich gut, wissen Sie?«
Sie klang belustigt.
Werner atmete tief durch, um Beherrschung bemüht.
»Sie waren also so gnädig, ihn nur in den Oberarm zu schieÃen?«
»Ja sicher. Ich wollte so eine Sauerei wie bei dem anderen vermeiden. Leider habe ich wohl doch etwas zu tief gezielt. Es ist mehr Blut geflossen, als ich wollte.«
»Der andere? Meinen Sie Martin Kostner?« Werner versuchte, die Gesprächsführung wieder in die Hand zu bekommen. »Wenn Sie so gut mit Waffen umgehen können, verstehe ich nicht, warum Sie ihn aus nächster Nähe erschossen haben.«
Rita Gerstner hob erstaunt die Augenbrauen. »Ach, Martin Kostner hieà der junge Mann? In der Zeitung standen immer nur die Initialen. Nun, das war natürlich Absicht, Herr Kommissar. Der Anblick sollte ja so grässlich wie möglich sein, wenn die Bilder seinem Vater gezeigt würden.«
Werner sah Claudia Jung, die schräg hinter Rita Gerstner saÃ, kurz mit hochgezogenen Augenbrauen an: Rita Gerstner hatte mit dem letzten Satz völlig ungerührt den Mord an Martin
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