Banalverkehr - Roman
Kindern und Stalltieren zur Niederkunft quält. Ich will mein Puppenhaus! Jetz t !
»Lene, ich will, dass du herkommst! Jetzt ! «
»Ich kann es einfach nicht fassen, dass du echt nichts mitgekriegt hast, Puppe!«
Da muss ich ja wirklich eine Bombenstory verpasst haben, wenn sie so darauf rumreitet.
Mal überlegen: Lene ist nach Australien geflogen. Weil ihre Schwester, die dort seit ein paar Jahren Schweine, Rinder oder Hamster oder irgendwelche anderen Tiere züchtet, heiraten wollte. Jetzt ist Lene wieder da. Und wir können wieder feiern und trinken und auf die Jagd nach namenlosen Männern gehen, die aufgrund besonderer Merkmale dann doch noch einen Namen kriegen. Halali und Happy End. Alles super. Lene her! Jetzt !
»Du bist wirklich unglaublich, Puppe«, stöhnt sich Lene in meine gedanklich bereits abgeschlossene Abendplanung. »Also nochmal – und jetzt hör zu: Ich! Komme! Heute! Nicht!«
Das abrupte Verstummen meines inneren Jagdhorns. 21, 22 …
Kurzfristige geistige Desorientierung. 23, 24 …
Und dann – ta-dah! – die Erleuchtung: Das Leben ist mal wieder eine Metzgerei, und Lene darf nicht rein. Alles klar! Spontan vermute ich als Grund einen dicken Pickel, den sie auf dem Rückflug bekommen haben muss.
»Keine Sorge, den überschmink ich dir schon«, sage ich verständnisvoll, doch zu meiner Überraschung weiß Lene gar nicht, was ich meine. Es muss also etwas anderes sein.
»Du hast zugenommen in Australien!« Das ist definitiv ein völlig neuer Blickwinkel: Das Leben ist eine Metzgerei, und Lene will nicht rein. Weil die ganzen leckeren Würstchen zu viele Kalorien haben. Alles klar!
»Wir kriegen dich schon irgendwie in einen Fummel gestopft«, versuche ich sie zu beruhigen.
»Das ist es nicht, Puppe«, sagt Lene. »Was du, nebenbei noch mal erwähnt, auch wüsstest, wenn du nur einen Moment lang zugehört hättest.« An diesem Punkt gähne ich demonstrativ in die Leitung, was sie animiert, endlich auf den Punkt zu kommen: »Ich habe jemanden kennen gelernt. Und es ist was Ernstes.«
In meinem Kopf, wo eben noch ein treibendes Jagdhorn geblasen wurde, quietscht eine Karnevalströte auf, und ich steige in den höchsten Tönen dazu ein: »Lene!« Mehr kann ich nicht herausquietschen, zu sehr werde ich von Lachkrämpfen geschüttelt. »Lene! Was Ernstes ! «
Lene und ich sind uns übrigens einig, dass »was Ernstes« für uns nicht infrage kommt. Denn Beziehungen machen doof, alt und fett und sind grundsätzlich nicht erstrebenswert, zumal das gemeine Verliebtsein höchstens so lange andauert, bis der Körper anfängt, die Schmetterlinge, die gerade noch ekstatisch im Bauch herumgeflattert sind, zu verdauen. Und ab da geht es nur noch darum, sich zu Hause gemütliche Abende zu machen. Mit kochen und DVD s gucken. Und, o Gott, gemeinsamen Spieleabenden mit befreundeten Pärchen, bei denen auch was Ernstes läuft.
»Monopolyyyyyy«, gackere ich. »Iiiih!«
Doch anstatt mitzugackern, schießt Lene den Vogel ab. Kurz und schmerzlos: »Wir wollen zusammen sein.«
»O«, sage ich. Und gleich nochmal »o«, weil ich einfach nicht weiß, was ich sonst sagen sollte oder könnte. Aber Lene scheint gar nichts zu erwarten, zumal sie es selbst kaum erwarten kann, mir von ihm zu erzählen: Wie sie auf dem Flug nach Australien neben ihm gesessen hat. Wie er spontan ihre Hand gegriffen hat, als er merkte, dass sie unter Flugangst leidet. Wie sie sich während der zwanzig Stunden unterhielten. Über alles. Über die Liebe. Und wie sie schließlich in Sydney aus dem Flieger gestiegen sind und wussten, dass sie füreinander bestimmt sind.
Aus meinem Mund kommen derweil viele kleine »Os«. Überraschte. Ungläubige. Verwirrte. Und das finale, schockierte »O«, als sie mir sagt, dass sie schwanger sei. An dieser Stelle hätte Lene dann übrigens doch mehr von mir erwartet. Immerhin bekommt sie ein Baby, hallo! Gottesgeschenk und so! Und vor allem, dass sie so schnell schwanger geworden ist, müsse man bitte mal gewaltig als ein Zeichen verstehen.
»Du weißt ja, wie ich früher war. Aber jetzt hab ich verstanden, worum es wirklich geht, Puppe. Und ich kann dir sagen: Liebe ist wunderschön.«
Ich fühle mich, als wäre ich in der Show eines dieser amerikanischen Wanderprediger. Pater John, Jeff oder Bob, oder wie die immer so heißen. Ich höre die Mär vom schlimmen Mädchen, dem die ewige Verdammnis droht. Aber dann erscheint ihr Jesus, und sie schickt die Dämonen in die Hölle und erkennt …
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