Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Geburtstag – erscheint der erste Lonely Planet Thailand . Die 400 Meter lange Straße im Bangkoker Viertel Banglamphu, nicht allzu weit vom Königspalast entfernt, wird auf dem Reiseweg der Rucksacktouristen verzeichnet. Fünfzehn Jahre später ist sie bereits zum Inbegriff des Südostasienurlaubs überhaupt geworden.
Heute gibt es auf der Khaosan Fastfoodrestaurants und Hotels mit Swimmingpools auf dem Dach. Und Tausende Menschen – Thais, Inder, Bergvölker, die etwas verkaufen wollen, und Engländer, Israelis, Schweden, Australier und Japaner, die etwas kaufen wollen. Und auf dieser Straße gibt es alles zu kaufen, was man irgendwie brauchen könnte, wenn man mit dem Rucksack unterwegs ist: schwarz gebrannte CDs, Regenjacken, Frühlingsrollen, Bahncards, Taschenmesser, iPod-Boxen, Presseausweise, dreieckige Sitzkissen, Computer-Betriebssysteme und -Programme, Opiumpfeifen, Taschenlampen, Dildos, Aschenbecher, Armreifen, T-Shirts, Sackhosen, Rucksäcke, aus Holz geschnitzte Elefanten, Batiktücher, Moskitonetze, Klopapier, Regenjacken, Maiskolben, Schachspiele, Murakami-Romane und Wanderschuhe.
Kleine Reisebüros verkaufen Zug- und Flugtickets nach Chiang Mai, nach Poipet an der kambodschanischen Grenze, auf die Abhänginseln Koh Phangan und Koh Tao im Golf von Thailand und nach Rangun, Schanghai und Hanoi. Tagsüber flimmern in den Cafés die neuesten Hollywoodfilme über die Mattscheibe, und nachts trinken Billigreisende aus der ganzen Welt Red Bull mit Mekong-Whiskey aus Eimern. Alles ist billig. So billig, dass es selbst ein Tagesbudget von 15 Euro zulässt, sich neu einzukleiden. Die Welt des Backpacking wurde auf die Größe dieser Straße zusammengepresst und auf kleinsten Raum übereinandergestapelt.
Die Khaosan in Bangkok ist der bekannteste Knotenpunkt des Banana-Pancake-Pfades, in Abwandlungen aber gibt es sie in fast jedem Land: In Delhi ist es der Main Bazaar, die Ecke um das Leopold Café in Mumbai, in Istanbul die Gegend um die Sultan-Ahmed-Moschee, in Ho-Chi-Minh-Stadt die Pham Ngu Lao. Knotenpunkte wie die Khaosan sind Ausgangs- und Endpunkte fast jeder Rucksackreise, eine Art postmoderne Karawanserei. Sie sind die ersten Anlaufpunkte nach einem 14-Stunden-Flug und einer Taxifahrt. An diesen Straßen liegen die billigsten Hostels, die selten mehr als zehn Euro pro Nacht kosten. Dort landen all jene, die für sechs Monate die Welt und sich selbst finden wollen, und all jene, die die letzten Monate lang alles andere, nur das nicht, gefunden haben.
Aus Sicht der Einheimischen dreht es sich um die Frage: Wie befriedige ich die Bedürfnisse einer heterogenen Masse von Tausenden Backpackern auf begrenztem Raum? Aus Sicht der Backpacker geht es um die Frage: Wie sehe ich möglichst schnell wie jemand aus, der seit 14 Monaten durch die Welt reist, und nicht mehr wie jemand, der sich eben noch intensiv in einem deutschen Tropeninstitut über gefährliche Krankheiten in Südostasien hat beraten lassen? Straßen wie die Khaosan sind der Grund, weshalb sich alle Rucksacktouristen ähneln. Hier findet die Transformation vom Normalo zum Teilzeitaussteiger statt. Hier findet die Transformation des inneren Wunsches nach Ausnahmezustand in eine äußere Entsprechung und Anpassung.
Man kann sich über sie aufregen, wie die Journalistin Kathrin Hartmann: «Je ausgemergelter, schmutziger, vernarbter und braun gebrannter sein Körper ist, desto höher sein Status. Er trifft die anderen in Backpackerhostels, die so wie viele andere Anlaufstellen entstanden sind, weil die Welt wenigstens ein bisschen verdienen will am Rucksacktourismus.» [2]
Man kann die Backpacker wie Iris Bahr in ihrem Roman Moomlatz in sechs Gruppen einteilen:
1. dürre, verdrogte Engländer oder Italiener mit schiefen Zähnen, die fünf Jahre lang durch Indien gewandert sind,
2. sehr, sehr hübsche, schlanke Australierinnen und Schwedinnen, die aussehen wie verruchte Supermodels,
3. mit Testosteron aufgepumpte Israelis, gerade aus der Armee entlassen,
4. ihre weiblichen Landsleute, allerdings nicht so gut aussehend wie Kategorie 2,
5. «Isra-Afros», sehr laut auftretende Zeitgenossen mit einer Vorliebe für psychedelische Drogen,
6. «Waschlappen, Dorftrottel», die von anderen Gruppen gelegentlich wegen ihres gutsortierten Medikamentenkoffers angeschnorrt werden.
Man kann versuchen, die Gruppe der Backpacker objektiv zu beschreiben. In einem der wenigen wissenschaftlichen Bücher, die es zu dem Thema gibt – Globality:
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