Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
kaufen. Der Strand ist abgelegen, nur eine holprige Straße führt dorthin. Es gibt keine Polizei. Nur einmal am Tag donnert ein Militärhubschrauber über den Himmel. Der Österreicher sagt, die Soldaten halten nur Ausschau nach Frauen, die sich oben ohne sonnen. Der Österreicher sagt aber auch, dass sich in Zipolite international gesuchte Terroristen verstecken. Nachts fällt oft der Strom aus.
Jurek und ich sind hierhergefahren, weil im Lonely Planet Mexico stand: «It’s a place where you can do as little as you like and enjoy good food and inexpensive accommodation all in wonderfully elemental surroundings of crashing surf, pounding sun, rocky headlands and tree-covered hills. Inexpensive places to stay and eat line the beach, many still reassuringly ramshackle and wooden and with tall thatched roofs that help to create the unique Zipolite landscape. This is one of those magical places where you may find yourself postponing departure more than once.» [4] Jurek und ich waren der Meinung, dass diese Beschreibung sehr gut klang.
Alans Ausraster ging eine Diskussion voran: Seitdem er Neuseeland vor neun Monaten verlassen hat, ist kein Tag vergangen, in dem er nicht in dem blauen Buch geblättert hat. Es ist ihm zur Bibel geworden, es sagt ihm, welches Hotel er aufsuchen soll und wie viel der Bus zum nächsten Hotel in der nächsten Stadt kostet. Es informiert ihn über Geographie, Geschichte und Gebräuche des Landes, das er gerade bereist. In ihm steht, welche Gegenden von Mexico City er besser meiden soll und wo man den billigsten Tauchkurs machen kann. In diesem Buch steht schlicht alles, was man bei einer Reise auf dem Banana-Pancake-Pfad (resp. Gringo Trail) wissen muss. Mehr noch: Dieses Buch ist der Banana-Pancake-Pfad selbst.
Nicht dass Alan mit seiner Obsession für dieses Buch allein wäre – alle hier lesen ständig darin. Man kann es immer wieder aufschlagen und einen kleinen Absatz aus der auf sechs Seiten zusammengefassten Geschichte Mexikos lesen. Oder mal kurz schauen, wie viel das billigste Hotel in Palenque kostet. Oder gucken, was die Durchschnittstemperatur in Tijuana. Oder, wie viel Tampons kosten, oder, was man als Schwuler so machen kann. Ich trage es immer bei mir. Es hat mittlerweile unzählige Eselsohren, der Einband ist brüchig, und einige Seiten fehlen. Ich habe sie herausgerissen, als ich gerade keine Lust hatte, das ganze dicke Ding mit mir herumzuschleppen. Ich bin stolz darauf, dass das Buch so aussieht. Ein echter Lonely Planet muss aussehen wie ein gealterter Boxer: rau, verbraucht und wild. Aus ihm müssen Sandkörner rieseln. Er muss salzig wie das Meer und urig wie der Dschungel riechen. Wieder daheim, stellt man das Buch ins Regal zu den anderen Büchern mit den blauen Einbänden, und wenn jemand zu Besuch kommt, fragt der Gast: «Da warst du schon überall? Krass!» In schlechten Momenten, nach Jahren, wenn ein kalter Regen fällt, es viel zu früh dunkel geworden ist und man sich auf nichts anderes als eine Badewanne freuen kann, nimmt man das Buch wieder in die Hand und sucht gierig nach den alten Sandkörnern von den Stränden Indiens, Mexikos und Brasiliens, als trügen sie das Glück vergangener Tage in sich.
Bevor der Lonely Planet auf den Markt kam, gab es den Drifter. Er war, so beschrieb ihn Eric Cohen 1972, «der Touristentyp, der sich von ausgetretenen Pfaden und den gewohnten Lebensweisen seines Heimatlandes wegwagt. Er meidet jegliche Verbindung zu einer touristischen Infrastruktur und empfindet gewöhnliche touristische Erlebnisse als unecht. Er neigt dazu, sich ganz auf eigene Faust durchzuschlagen, lebt mit der lokalen Bevölkerung und nimmt oft Gelegenheitsbeschäftigungen an, um weiterzukommen. Er versucht, so zu leben, wie die Menschen, die er besucht, […] hat keinen festen Reise- oder Zeitplan und keine klar definierten Reiseziele. Er taucht nahezu vollständig in die Gastkultur ein.» [5]
Dann aber kamen Tony und Maureen Wheeler. 1972 reisen sie von Europa nach Australien. So verläuft damals die Hippie-Route: Amsterdam, Istanbul, Kathmandu, Goa, Bangkok. Nach etlichen holprigen Busfahrten, Kamelritten und Übernachtungen bei afghanischen Bauern und indischen Kamelhändlern kommen sie schließlich in Südostasien an. Die nächsten Monate verbringen sie damit, in einem Hotel in Singapur ihre Erfahrungen in Form eines Reiseführers niederzuschreiben. Auf den Titel kommt Wheeler angeblich, weil er in dem Song «Space Captain» von Joe
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