Bangkok Tattoo
die kaum Lesen und Schreiben kann, was?«
Vor Lachen bringe ich kein Wort heraus.
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Chanya und ich packen die Eier und anderen Gaben in den Kofferraum des Taxis. Obwohl sie sich geschmeichelt fühlte, daß ich fünf Schweinsköpfe für sie bot (mein letztes Wort), fand sie keinen Gefallen an der Zubereitung, die uns eine ganze Nacht kostete. (Hast du schon einmal versucht, tausend Eier auf zwei Gasplatten zu kochen, farang?)
Wir teilen uns den Rücksitz mit dem fünften Schweinskopf, der nicht mehr in den Kofferraum paßte, und weisen den Fahrer an, uns zum Wat Sathon zu bringen. Dabei handelt es sich um einen besonders wichtigen, nur von Thais frequentierten Tempel etwa sechzig Kilometer außerhalb von Bangkok, eine nüchterne Magiefabrik, bekannt für ihre Fähigkeit, die Unfruchtbaren fruchtbar, die Impotenten potent, die Kranken gesund und die in der Lotterie Glücklosen glücklich zu machen – ganz zu schweigen von den Leckerbissen der Garküchen in der Umgebung.
Wir schleppen die Eier und Schweinsköpfe, die Ringelblumen- und Lotusgirlanden, das Obst und Gemüse in den Tempel, in dem es von zufriedenen, auf Begleichung ihrer Schulden bedachten Kunden wimmelt. (Im Augenblick lagern hier bestimmt einhundertfünfzig Schweinsköpfe; die gekochten Eier gehen wohl in die Zehntausende.) Chanya und ich breiten alles vor den Statuen des Stehenden, Gehenden und Sitzenden Buddha aus, entzünden Räucherstäbchen, halten sie mit einer tiefen Verneigung vor die Stirn und bedanken uns dafür, am Leben zu sein und lieben zu dürfen (jede Minute zählt), bevor wir die Packungen mit dem Blattgold öffnen. Das muß man geschickt anstellen, damit es nicht an Fingern und Gesicht kleben bleibt. Chanya und mir gelingt es, alle Blättchen an der richtigen Stelle zu plazieren. Chanya mag den großen, dicken Lachenden Buddha am liebsten, ich gebe dem Gehenden Buddha mit erhobener linker Hand (die sagt: Hab keine Angst) den Vorzug. Schritt für Schritt arbeiten wir uns von einem zum anderen vor und bedecken ihre Köpfe und Gliedmaßen mit Gold. Anschließend knien wir zu einem wai und einem Gebet nieder. (Ich glaube, sie betet um eine Tochter; ich hingegen, daß sie mich nicht verläßt – wie jämmerlich!) Nun ist es Zeit für die Garküchen, die gebratenen Muscheln mit Chilisauce (hier gibt’s wirklich die besten), für miang kham mit Kokosnußraspeln auf einem Salatblatt, für laap pet (würzigen Entenfleischsalat) und ein paar Bier.
Im Taxi nach Hause bitte ich den Fahrer in einem Stau in den Außenbezirken von Krung Thep, Rod Tit FM einzuschalten. Pisit interviewt gerade den berühmten Vorsteher eines Waldklosters.
Pisit: Je mehr ich über Thailand nachdenke, desto wahnsinniger macht mich dieses Land.
Klostervorsteher: Wegen der überwältigenden Probleme?
Pisit: Ja, genau.
Klostervorsteher: Und welche Probleme empfinden Sie als besonders überwältigend?
Pisit: Alle.
Klostervorsteher: Entschuldigen Sie, aber drücken Sie sich korrekt aus? Wäre es nicht richtiger zu sagen, daß nicht die Probleme überwältigend sind, sondern die Schwierigkeit, sie zu lösen?
Pisit, resigniert: Wenn Sie meinen. Ja, die Schwierigkeit, sie zu lösen.
Klostervorsteher, zufrieden: Tja, dann kann der Buddhismus Ihnen helfen. Anfangs dachte ich, er wäre nicht dazu in der Lage, aber jetzt glaube ich doch.
Pisit: Tatsächlich?
Klostervorsteher: Nun, es ist einfach. Nicht die Probleme des Landes überwältigen Sie, sondern Ihr ichbezogener Glaube, Sie könnten zu ihrer Lösung beitragen.
Ein Aufschrei von Pisit, dann Schweigen.
Kalpa, farang (falls du dir darüber immer noch den Kopf zerbrichst): Stell dir einen Berg vor, eine Wegstunde lang, breit und hoch. Wenn man ihn einmal alle hundert Jahre mit einem Tuch polierte, wäre die Zeit, die man brauchte, einen solchen Berg abzutragen, nicht so lange wie die eines kalpa.
Pichai: Letzte Nacht hat er mir endlich gestanden, daß der Fall eine Finte war, um mit Hilfe meines Samens in Chanyas Bauch zu reinkarnieren. »Sie hat die besten Anlagen der Welt«, erklärte er mir. »Und von mir möchtest du nichts?« fragte ich, aber da war er schon verschwunden.
Neuigkeiten: Supermann wird in zwei Tagen hier eintreffen. (Ab und zu bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen, und Nong ist wieder auf Diät. Wir haben ein Pfund Hasch und ein bißchen Opium erworben für den Fall, daß er noch im Vietnam-Modus ist. Bei farangs auf Urlaub weiß man nie so genau, sagt Nong.)
Lek
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