Bangkok Tattoo
Wand aufgereiht, die Chiu-Chow-Leute an der anderen; Chanya und ich sitzen auf Bodenkissen. Ishy, der Verhandlungsführer der Japaner und der Mann mit dem offenen Hemd trinken Sake an dem langen Tisch. Der inzwischen ziemlich alkoholisierte Ishy hat das Hemd fast ganz aufgeknöpft, damit sein streng dreinblickender General Yamamoto zum Vorschein kommt. Der Italiener, ein schlanker, fast schon ausgemergelter Mann mit dunkler Lockenmähne, der mit dem Rücken zur Wand in einer Ecke hockt, trägt ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln, eine Jeans und Mokassins ohne Socken. Ishy stellt ihn mir verächtlich als eigens aus Rom eingeflogenen Kunstrestaurator vor. Offenbar wollen die Japaner keinerlei Risiko eingehen. Mindestens einer der japanischen Gangster scheint Arzt zu sein. Unter den gegebenen Umständen kann ich mir Ishys gute Laune, die von Minute zu Minute besser wird, nicht erklären. Plötzlich entsteht eine Pause in der lebhaften Diskussion.
»Sie sind sich über den Hauptpunkt einig«, ruft Ishy mir zu. »Jetzt geht’s nur noch um Details, Copyright, Vermarktung und solche Dinge.«
Gleichzeitig bricht Chanya, die offenbar durch ihren Beruf ausreichend Japanisch gelernt hat, um zu verstehen, was Sache ist, wieder in Schluchzen aus und starrt Ishy ungläubig an. Als der Italiener und der japanische Arzt sich auf uns zubewegen, hält sie die Hände schützend vor die Brust.
Doch sie gehen an uns vorbei zu Ishy, der zuerst sein Hemd, dann seine restliche Kleidung auszieht.
»Die yakuza sind sehr human«, erklärt er, während der Arzt eine Spritze aus der einen und eine Ampulle aus der anderen Tasche holt, die Schutzhülle von beiden entfernt und die Nadel in das Fläschchen stößt. »Sie haben mir angeboten, mich zuerst umzubringen, aber ich möchte miterleben, wie sie mein Meisterwerk entfernen. Ein falscher Schnitt, und ich verfluche diesen Metzger bis in alle Ewigkeit.« Kopfschüttelnd sagt er zu Chanya: »Keine Sorge, Liebes – damit sind alle meine Schulden beglichen. Du kannst deine Titten behalten.« Er schweigt, während einer seiner Landsleute nach Kamikaze-Art ein weißes Tuch mit schwarzen japanischen Schriftzeichen um seine Stirn bindet und der Arzt ihm die Injektion in den Arm gibt. »Das ist eine dieser neuen bewußtseinsverändernden Drogen. So kann ich alles ohne Schmerzen mitverfolgen. Ich verstehe das als persönlichen Triumph und heroische Tat – wie die Schlange, die ich bin, schlüpfe ich aus meiner Haut, meinem Ego und meinem Leben zum Lobe Buddhas und aus Liebe zum Menschen. Allerdings könnte ich mir vorstellen, daß ihr das nicht miterleben möchtet. Ihr könnt ruhig gehen. Ich habe ihnen versichert, daß ihr niemandem davon erzählt.«
Ich empfehle Chanya zu verschwinden, solange es noch möglich ist, obwohl die Männer ihr keine Beachtung schenken. Will ich sie beschützen, oder treiben mich andere Motive? Vielleicht schäme ich mich für meine eigene morbide Neugierde, vielleicht möchte ich auch nicht, daß sie mitbekommt, wie sehr mich das, was gleich geschehen wird, fasziniert. Also begleite ich sie zur Tür, küsse sie und schiebe sie hinaus. Als ich zurückkehre, hat das Mittel bereits zu wirken begonnen, und Ishy kann seine Beine nicht mehr kontrollieren. Der Arzt bellt Anweisungen auf japanisch. Sofort eilen fünf Männer zu dem Künstler und hieven ihn vorsichtig auf den langen Tisch. Zwischen seinem Gehirn und seinen Nerven besteht keine Verbindung mehr, aber sein Blick wirkt wach. Wie gerne wüßte ich, was er jetzt denkt.
Nach den Anweisungen des Italieners führt der Arzt einige gekonnte Skalpellschnitte von den Achseln bis zur Hüfte, entlang den Unterarmen und um Hand- und Fußgelenke sowie Penis aus. Dann häutet er Ishy mit Hilfe des Italieners und eines anderen Mannes in bemerkenswerter Geschwindigkeit. Anschließend rollt der Italiener die Haut vorsichtig auf, um sie, gefolgt von den anderen, zum Trocknen nach oben zu bringen. Ich bleibe allein zurück in dem dunklen Raum mit den bunten Werken an den Wänden, während Ishy ungerührt sein eigenes langsames Sterben beobachtet.
SIEBEN
Plan C
47
»Jetzt haben wir die endgültigen Ergebnisse der Laboruntersuchungen«, sagt Elizabeth Hatch in ihrer ruhigen, hyperkontrollierten Art und bedenkt mich verstohlen mit einem verlegenen Blick. (Ich habe meine Spione. Von denen weiß ich, daß sie vergangene Nacht wieder eine Tour durch die Bars unternommen hat und bei demselben Mädchen wie neulich gelandet ist.
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