Bangkok Tattoo
sich tatsächlich ereignete:
Er fiel mir sofort auf, als er zur Tür hereinkam. Wir haben im Moment bedauerlicherweise keine Mamasan, was bedeutet, daß ich als Teilhaber so lange Papasan spielen muß, bis meine anspruchsvolle Mutter sich für einen geeigneten Ersatz entscheidet. (Wie alle Exnutten hat sie eine hartnäckige Abneigung gegen Mamasans und findet nie die richtige. Vermutlich sorgt sie so dafür, daß ich Papasan bleibe.)
Sein Gesicht habe ich schon beschrieben. Es sah nicht viel besser aus, als der Körper des Mannes noch beseelt war, und trug die unverkennbare Arroganz eines Bodybuilders. Die Mädchen hielten sich alle von ihm fern, so daß er, ganz allein an einem Ecktisch sitzend, immer wütender wurde, weil er merkte, wie die Girls älteren und weniger muskelbepackten Männern den Vorzug gaben. Er trank in Maßen (Budweiser-Bier, nicht Mekong-Whiskey, aber natürlich würde ich es nie wagen, die Genialität von Vikorns Beschreibung durch solche Lappalien in Zweifel zu ziehen). Nur ungern verschwendete ich Chanyas Begabung auf diesen Neandertaler; eigentlich sollte sie ihn mit ihrem Charme lediglich aus unserer Bar hinaus und in eine andere hinein locken. Chanya und ich, wir mögen und verstehen uns. Mit einem einzigen Blick machte ich ihr klar, was ich wollte. Zumindest (an dieser Stelle meiner Schilderung muß ich ganz genau werden) glaube ich, daß es mein Blick war, der sie an seinen Tisch trieb. Es dauerte kaum eine Minute, bis sein verkniffener kleiner Mund sich zu einer Art Lächeln verzog. Als sie ihre Hand lässig auf einen seiner steinharten Oberschenkel legte und sich vorbeugte, um an ihrem »Lady Drink« (einem Margarita mit einem Extraschuß Tequila) zu nippen, fixierte er ihre Brüste. Tja, hier war zu beobachten, wie wieder einmal ein stolzer Mann der Verdammnis entgegenging.
Er gehörte zu der Sorte, deren Libido nur mit einem Schuß Geheimnistuerei erwacht. Chanya merkte das sofort, und schon bald tuschelten sie, die Köpfe zusammengesteckt, begleitet von Eric Claptons »Beautiful Tonight« aus unserer Jukebox-Attrappe. Dieser unwiderstehlich romantische Song war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Die Hand des Bodybuilders fand ihren Weg auf Chanyas Oberschenkel. Ich blickte auf die Zeitanzeige des Faxgeräts: Nach kaum fünf Minuten schmolz unser Mann aus Stahl dahin – das war selbst für Chanya ein Rekord.
Ich unterstützte sie, indem ich den Clapton-Song noch einmal spielte – oder wollte ich lediglich wissen, was eine solche Wiederholung bewirken würde? Winzige Tränen traten in die Winkel seiner abnorm blauen Augen, er mußte schlucken, und von seinen häßlichen Lippen konnte ich noch aus einer Entfernung von fast zehn Metern die Worte »Ich bin so verdammt einsam« sowie ein unglaublich unbeholfenes »Du siehst wunderschön aus heute abend« ablesen.
»Danke«, antwortete Chanya mit züchtig niedergeschlagenem Blick.
In dem Moment betrat der Rosenverkäufer das Lokal. Man muß Idealismus und Mut dieses Mannes und seiner Kollegen, der Nuß- und Feuerzeughändler, bewundern. (Jede Bar toleriert sie, vorausgesetzt, sie halten sich im Hintergrund und bleiben nicht lange.) Gibt es größeren Optimismus als das Ansinnen, Freiern Rosen anzudrehen? Ich hatte noch nie erlebt, daß dieser rappeldürre Thai mittleren Alters mit einem von einem Tumor verunzierten Kiefer eine Blume verkauft hätte. Schüchtern winkte unser Mann aus Stahl ihn herüber, erwarb eine einzelne Rose, für die er viel zuviel zahlte, und reichte sie Chanya.
»Tja, und nun werd ich wohl die Auslösesumme zahlen müssen, stimmt’s?«
Chanya nahm die Rose mit einer Mischung aus gespielter Überraschung und Dankbarkeit entgegen (alle Mädchen beherrschen die Unterwürfige-Asiatinnen-Nummer auf Knopfdruck): »Wenn du möchtest.«
Nach – so das Faxgerät – exakt sieben Minuten war sie dabei, ihren Fang einzuholen. Er nahm einen Fünfhundert-Baht-Schein aus seiner Brieftasche und reichte ihn ihr. Sie legte die Handflächen zu einem anmutigen wai zusammen und erhob sich, um mir die Auslöse von ihrem, wie ich mich jetzt erinnere, zweiten Kunden des Abends zu bringen. Der erste Freier war ein junger Mann, offenbar ohne allzu großes Stehvermögen, gewesen, aus dessen Hotel sie nach nur vierzig Minuten zurückkehrte.
Das einzig Ungewöhnliche an der Transaktion mit dem Mann aus Stahl war, daß Chanya mir nicht in die Augen sah, als sie mir das Geld reichte und ich ihr den Auslöseschein
Weitere Kostenlose Bücher