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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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war damals unsicher übers Eis
gelaufen, weil man kein Salz auf die Gehsteige gestreut hatte, mit kleinen
Schritten, mit denen sie kaum vorwärtskam, in ihren dicken Stiefeln mit den
flachen Absätzen, den Blick auf Aja gerichtet, die an einem bunten Stück Stoff
zog, das Évi an den Kinderwagen gebunden hatte. Hinter ihr fuhr ein Auto, nicht
viel schneller, als sie mit ihren kleinen Schritten laufen konnte, und geriet
doch ins Schleudern, der Fahrer versuchte, die Spur zu halten, aber das Auto
drehte sich leise übers Eis, zeichnete einen großen Kreis in den Schnee und
nahm mit, was in seinem Weg stand, einen Abfalleimer, ein Fahrrad, das an einem
Pfosten lehnte, einen Blechkasten mit den Zeitungen des Tages und den
Kinderwagen, den er Évis Händen entriss und an einer Gartenmauer
entlangschleifte. Évi konnte nur zusehen, wie das Auto in den Pfahl einer
Laterne stieß, wie sich das Glas aus seinem Seitenfenster löste und auf Aja
zuschoss. Dann bewegte sich nichts mehr, nicht die Zweige, die über die Zäune
ragten, nicht die Räder des Fahrrads, das über die Straße geschleift worden
war, auch nicht der Müll, der aus dem Abfalleimer gefallen und übers Pflaster
gerollt war. Es dauerte, bis Évi Ajas Schreie hörte, bis sie einen Krankenwagen
riefen, bis Évi mit ihren schnellen, leichten Bewegungen über das Auto, über
sein Dach geklettert und auf der anderen Seite hinabgesprungen war, Aja aus
dem Wagen befreit hatte und mit ihr zum nächsten Haus gelaufen war, in das man
sie nicht hineinlassen wollte, wegen des Bluts, das über den Kragen und die
Ärmel ihres hellen Mantels rann, vielleicht auch wegen der Sprache, in der sie
damals noch nicht viel sagen konnte. Évi wartete an der Treppe, ohne sich zu
rühren, sie wagte keinen Schritt mehr, aus Angst, sie könne auf dem Eis ausrutschen,
und Aja könne ihr aus den Armen fallen. Obwohl Aja nicht aufhörte zu schreien,
obwohl sie sich mit aller Kraft wand und um sich schlug, gelang es Évi, sie zu
halten, aber es gelang ihr nicht, auf Ajas Hand zu schauen, auf ihren roten
Anzug mit dem von Blut getränkten Fell an den Ärmeln, auch nicht, als der
Krankenwagen seine Türen öffnete, als sie jemand an den Schultern fasste und
ihr half, über zwei breite Stufen einzusteigen.
    Als Aja und Évi nach Kirchblüt
zogen, kannte sie schnell jeder. Es reichte aus, sie einmal zu sehen, mit
ihrem wirren Haar, ihren Hüten und Kopftüchern, wenn sie nebeneinander die
Straße hinab-, wenn sie unter Platanen über den großen Platz liefen, um ein
Bild von ihnen zu haben und es nicht mehr zu vergessen. Jeder in Kirchblüt
wusste, sie wohnten hinter der Brücke über den Klatschmohn, wo der Wald und die
Felder lagen, sie lebten ohne Straßennamen, ohne Hausnummer und ohne Türklingel
in einem Gartenhäuschen ohne Bad, das jeden Herbst eine neue Farbe bekam, und
sie wuschen sich an der Spüle in ihrer Küche, um die sie aus Brettern und
Steinen vier Wände gebaut hatten, obwohl es nicht erlaubt war. Jeder wusste,
Aja war das Mädchen, dem man weder Ringe noch Armreife schenken durfte, das
sich die Handschuhe für den Winter selbst aussuchte in dem kleinen Geschäft
hinter dem großen Platz, dessen Mutter draußen wartete und ihm alle Zeit ließ,
die es brauchte, um passende Fäustlinge für seine Hand zu finden, an der es
nur drei Finger hatte. Jeder wusste, Évi war die Frau, die es nicht mochte,
wenn ihr jemand die Hand entgegenstreckte, damit sie einen Ring an einem Finger
ansehen konnte, die ihren Freunden die Finger spiele mit ihrer Tochter
verboten hatte und an den Händen etwas mit ihr abzuzählen. Wenn jemand
vergessen hatte, dass man Aja weder Ringe noch Armreife schenken durfte und
etwas mitbrachte, warf Évi es in den Abfall, und als ob das nicht reichte,
brachte sie ihn zu einer Tonne an einer der breiten Straßen, die aus Kirchblüt
hinausführten, wo man ihn bald in einem großen Müllwagen mitnehmen würde.
    Seit diesem Wintertag war Évi
vorsichtig mit Aja, nicht nur, wenn der Himmel mit seinem dunklen Weiß Schnee
ankündigte. Wenn im Schuhgeschäft jemand einen Ballon verschenkte, hatte Évi
Angst, er könne zu dicht an Ajas Ohr platzen, und wenn sie am Markt eine
Kirsche kosten durfte, glaubte Évi, Aja würde sich an ihrem Kern verschlucken.
Wenn Aja auf die Schläfe gefallen war, fürchtete Évi tagelang, ihr Blick könne
sich eintrüben, sie könne plötzlich schwanken und im Türrahmen hängenbleiben,
auch wenn Aja sofort aufgestanden und weitergelaufen

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