Bank, Zsuzsa
war, und wenn Aja am
Nachmittag schläfrig wurde und wegdämmerte, rüttelte Évi an ihrer Schulter und
kniff in ihre Seite, bis Aja aufschreckte und die Augen öffnete. An Schneetagen
ging Évi seither mit kleineren Schritten, und sie ließ die Hände frei, damit
sie sich stützen und festhalten konnte. Sie versuchte, ihre Angst
kleinzuhalten, und die eine Frage, wenn sie am Morgen zu ihr zurückkehrte, aus
dem Haus zu scheuchen: Warum war sie an jenem Tag nicht mit Aja zu Hause
geblieben? Wenn Schnee fiel, öffnete sie trotz der Kälte alle Fenster, damit
ein Luftstoß ihre Angst hinaustragen und mit den Flocken verjagen würde.
Évi hielt es für eine Strafe
Gottes, für den sie neben dem Fliegengitter einen kleinen Altar hatte, auf den
Aja und ich Blumen stellen und Blütenblätter in eine Schale legen durften, die
wir unter dem Kirschbaum aufgelesen hatten. Aber warum Gott sie bestrafen
musste, konnte Évi uns nicht sagen, und wenn ich sonntags in der Kirche am
großen Platz neben Aja saß, wo das Licht durch die blauen Fenster auf den Staub
fiel, der über unseren Köpfen flirrte, fragte ich mich jedes Mal, warum Gott
sich ausgerechnet Évi ausgesucht, warum er ihr nicht einfach vergeben hatte.
Zigis Sommer
Es war selten, dass Aja ihren
Willen nicht durchsetzen durfte, und doch gab es Tage, an denen sie ihre Wut
hinausbrüllte, so dass jeder auf dem großen Platz stehen blieb und erst
weiterging, wenn Évi den Kopf schüttelte und Aja mit roten Flecken im Gesicht
und geballten Fäusten zurückblieb, die sie nur langsam öffnete. Ein anderes
Mal ließ sie sich vor dem Fliegengitter auf die Stufen fallen, obwohl sie schon
hätte loslaufen müssen, warf die Schultasche ins hohe Gras, sträubte sich und
machte sich schwer, wenn Évi sie an einem Arm über den kurzen Pfad aus Platten
zog, ohne ein Wort bis zur Pforte. Ich konnte es spüren, wenn Aja sich in der
Klasse neben mich setzte, ich wusste dann, ihre Mutter hatte sie wie eine Puppe
durch den Garten gezogen, an einer Hand, hatte sie am Zaun liegen gelassen, um
ohne Zeichen, ohne Geste zurückzugehen und Aja mit diesem Beben in den Tag zu
schicken, das ich nicht nur spüren, sondern auch sehen konnte, an Ajas Blick,
an ihren Lippen, ihren Schultern, und das Aja nie ganz verlor, auch später,
viel später, nie mehr ganz verlor.
Einmal kam Zigi schon im Sommer,
und Aja schmiss sich eine ganze Weile nicht aufs Pflaster des großen Platzes
und auf die Stufen vor dem Fliegengitter. Wir nannten diesen Sommer Zigis Sommer,
auch Jahre später, wenn wir uns erinnerten, nannten wir ihn so, diesen einen
Sommer, der sich aus lauter hellen Tagen zusammenfügte. Selbst heute, wenn wir
daran denken, sagen wir Zigis Sommer, obwohl sich vieles davorgeschoben hat,
das unser Bild hätte verändern und unseren Blick darauf trüben können. Zigi
kam in diesem Jahr ohne Brief, der ihn sonst Monate vorher angekündigt hatte,
ohne Postkarte, auf der ein spitzes rotes Zirkusdach zu sehen war und die
wochenlang zwischen den Rosentapeten im schiefen Küchenfenster steckte, vor dem
sich Sonne und Regen, Tag und Nacht abwechselten, um Aja und Évi zu sagen, Zigi
wird kommen, bald wird er mit seinem dunklen Koffer am schiefhängenden Tor
stehen und beim Öffnen die Steinchen durch den Staub schieben. Zigi hatte
genügend Geld zusammen, um den Sommer ausfallen zu lassen, wie er es nannte, um
ihn hier zu verbringen, mit Aja, die aus diesem einen Sommer schöpfte für die
nächsten Jahre, vielleicht für ihr ganzes Leben, und der wie eine Festung
stand, zu der sie in Gedanken zurückkehren konnte, wann immer ihr danach war,
aufzubrechen und sich auf den Weg dorthin zu begeben.
Évi erzählte, sie habe vom
Küchentisch aufgeschaut, weil sie ein Geräusch gehört habe, und da habe Zigi an
der Pforte gestanden, aber sie habe weggesehen, weil sie geglaubt habe, es sei
nur eine Laune des Abendlichts, das sich zwischen den Bäumen aufs Gras gelegt
und in dem sie Zigi schon häufig gesehen habe, auch wenn er in Wirklichkeit
weit entfernt, hinter einem Ozean gewesen sei. Deshalb habe sie sich bald nicht
mehr gewundert, wenn er in den Abendstunden auf dem schmalen Weg aufgetaucht
sei, der neben den Maisfeldern zu ihrem Häuschen führte, wenn er am Zaun gewartet
habe und dann verschwunden sei, sobald sie geblinzelt und sich die Augen
gerieben hatte. Aber diesmal war Zigi stehen geblieben und hatte sich nicht
aufgelöst, als Évi ein zweites, ein drittes Mal nach ihm geschaut hatte, auch
nicht,
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