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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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er glaubte, Évi
habe schon vor der Zeit aufgeschlossen, um hinter dem Vorhang die gelbe Kiste
mit den Umschlägen durchzugehen. Wenn er dann rief, es läutet, und mir seine
Handfläche zeigte, um mir zu bedeuten, still zu sein, hatte ich jedes Mal das
Gefühl, Aja zu hintergehen. Etwas daran war unrecht, ihre Sätze, die für uns
gedacht waren, an Évi weiterzugeben, auch wenn Karl es nur tat, damit sich Évi
nicht ängstigte, damit sie hörte, Aja war nichts geschehen, sie wollte nur eine
Weile wandern, und sie wollte allein sein dabei.
    Karl fuhr aufs Land, er sagte, er
müsse noch einmal zwischen Sonnenblumen Ausschau nach Elfen halten, bevor das
Oktoberlicht die Farben des Sommers schlucken würde. Er ließ seinen Roller
stehen, er lieh sich keinen Wagen, er nahm den Zug, weil es ihm gleich war, ob
es Stunden dauern würde, bis er aus der Stadt heraus war und der Bus ab Chiusi
ihn weitergebracht haben würde, zu den letzten Häusern des Dorfes, wo Karl
hinter dem Friedhof den Weg hochsteigen, den Schlüssel aus der Mulde über dem
Fenster nehmen, die Tür zur Küche öffnen und sich draußen auf die warmen
Fliesen setzen würde, wo wir vor einem Jahr unter Spinnweben gelegen hatten,
an diesen leuchtend hellen Tagen, von denen ich geglaubt hatte, sie könnten
sich endlos so aneinanderreihen. Karl hatte Zeit, seit Aja mit einer ihrer
leichten Bewegungen aus seinen Tagen gesprungen war, also konnte er auch den
Zug nach Chiusi nehmen, am Bahnsteig sitzen und warten, ohne auf die Uhr zu
schauen. Als Libelles Filmrolle auf unserem Küchentisch gelegen hatte, hatte
Karl noch geglaubt, etwas retten und wenden zu können. Er sagte, er habe
gehofft, er müsse nur auf seinen Roller steigen und die Läden nach einem Gerät
absuchen, mit dem Aja sich das Band anschauen könne, und sie würde ihm
vergeben. Aber seit Aja aus Kirchblüt zurückgekehrt sei, wisse er, sie würden
nichts mehr fortsetzen, auch deshalb fahre er aufs Land, um es hinter einem
kleinen Friedhof endlich aufzugeben, sich noch ein Bild von Aja und sich als
Paar zu machen.
    Ich war am Küchentisch
zurückgeblieben, während Karl zwischen Grashüpfern dem Herbst entgegenlief. Zum
ersten Mal nahm ich die Wörterbücher wieder zur Hand, seit der Projektor
darauf gestanden hatte und Libelle von ihnen zur Küchenwand gesprungen war, und
übersetzte den Katalog einer Möbelmesse, der genügend Geld brachte, um den
Rest des Jahres davon leben zu können. Mein Blick fiel auf die Markisen
gegenüber, auf ihre schmalen blauen Streifen, und meine Gedanken glitten
schnell weg von Bughölzern und Betthäuptern. Vielleicht hatten mich Ajas Postkarten
abgelenkt, die Karl zwischen unsere schwarzen Steine aus Ostia gesteckt hatte,
vielleicht Karls schneller Abschied, seine Fahrt hinaus zu den Hügeln, über
denen der heilige Franz schwebte. Ich fragte mich, wie Aja wohl zwischen zwei
Lügen wanderte, wo immer sie jetzt auch war, zu weit entfernt von mir
jedenfalls, als dass ich hätte nach ihr greifen und sie anfassen können. Ich
dachte an die hellen Tage mit unseren Müttern, hörte Ellens klappernde Absätze
und Évis Stimme auf den Treppen, sah ihre Füße, die schnelle Art, mit der sie
über den Küchenboden gegangen war, um auf dem kleinen Vorsprung stehen zu
bleiben und am Himmel Wolken zu suchen. Ich sah das Muster des bunten Tuchs,
mit dem sie das Haar beim Kochen zurückgebunden und das später, als Évi es
hatte liegenlassen, Aja getragen hatte. Ich dachte an die roten Buchstaben auf
dem Umschlag und die Filmrolle darin, die Aja eingepackt hatte, um sie Libelle
zurückzugeben, und ich hörte noch einmal das Knattern von Karls Roller, das
anders geklungen hatte, als er an jenem Junimorgen losgefahren war, um ein Abspielgerät
zu suchen. Nichts hatten wir von Aja abwenden können, selbst wenn Évi uns gewarnt
hätte, hätten wir nichts von ihr abwenden können. Uns blieb nur, die Dinge
hinzunehmen, die zwei Sekunden, die unser Leben veränderten, die
Richtungswechsel und Zufälle auf den Wegen, die wir einschlugen, obwohl wir
genauso gut einen anderen Weg hätten nehmen können. Ich klappte die Wörterbücher
zu, als die Nacht die Farben löschte und die Schwalben in ihr verschwanden,
und ging mit dem Gedanken zu Bett, wir hatten vergeblich nach Évis Garten
Ausschau gehalten, nach dem schiefhängenden Tor, das wir anderswo hatten
öffnen wollen, um unter Birnbäumen durchs Gras zu laufen - sosehr wir einen Ort
für uns gesucht hatten, wir hatten ihn nicht

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