Bank, Zsuzsa
ein Paar passende
Sandalen hatte, das nicht sie, sondern meine Mutter gekauft hatte, und es
dauerte, bis sie Aja erlaubte, die neuen Schuhe nicht nur vor ihr Bett zu
stellen und anzusehen, sondern auch zu tragen.
Ich fragte mich oft, wie es sein
konnte, dass sich Évi an einem Seil hatte bis unter die Zirkuskuppel ziehen
und hinabfallen lassen, wie es passte zu ihren blauen Flecken, zu den Ecken
und Kanten, an denen sie sich immerzu stieß, dass sie zu einer anderen Zeit
über Zigis Schultern geklettert war und ein Seil betreten hatte, ohne zu
stolpern und zu fallen, als habe Zigi das Seil durch einen anderen Raum
gezogen, in dem die Gesetze der Schwerkraft nicht gegolten hatten. Karl und
ich konnten nie genug kriegen von Évis Geschichten, sie ließen uns in eine Welt
blicken, die wir nicht einmal aus Büchern kannten, und jedes Mal fielen uns
Fragen ein, auf die Évi uns nie Antworten gab - warum Zigi gewartet habe, bis
sie ihn hereingelassen habe, warum er nicht einfach die Treppe hochgestiegen
sei, wo es doch auch sein Zimmer unter dem Dach war, woran genau Évi gemerkt
habe, Zigi würde am nächsten Morgen nicht mehr da sein, und mit wem Aja
gespielt habe, in all den Jahren, in denen sie nicht in Kirchblüt gelebt
hätten. Évi erzählte uns davon, wenn wir oft genug danach gefragt hatten, an
den dunklen Tagen im späten Herbst, wenn Zigi abgereist war und es nur noch in
ihrer Küche warm wurde, in der sie für ganz Kirchblüt Lebkuchenhäuser buk, für
die wir Honig in Wasser rühren und Watte für den Schornstein zupfen durften.
Ich fand, jedes dieser Häuschen sah aus wie Évis Haus, mit einem schiefen,
spitzen Dach, zwei kleinen Fenstern und einer großen Tür, eine, wie Zigi sie
vor Jahren in die Wand gesetzt hatte, damit Évi nicht länger durch ein Fenster
zu den Hühnern steigen musste. Wir klebten Dach und Wände mit weißem Zuckerguss
aneinander und hielten sie fest, bis Évi sagte, es fällt nicht mehr
auseinander, ihr könnt die Hände ruhig wegnehmen.
Évi hatte angefangen, den Winter
zu hassen. In klammen Nächten, auf ihren Wegen durch Wälder, in einem Hauseingang,
in dem sie Aja vor dem Wetter zu schützen versucht und von dem man sie
verscheucht hatte, hatte sie damit angefangen und sich vorgenommen, ihn fortan
zu leugnen, auch später noch, als sie schon im Gartenhaus mit Dach und Wänden
und Türen wohnte. Sie versuchte, den Winter zu übergehen, ihn selbst in
Gedanken kaum zuzulassen, wenn sie am Küchenfenster stand und den Stürmen
zuschaute, die über die braunen Äcker fegten und durch die kahlen Zweige
unserer Linden fuhren. Wenn Karl und ich riefen: Schnee fällt, in dicken,
fetten Flocken, vor deinem Fenster, wenn wir die Stiefel überzogen und die Tür
mit einem Tritt aufstießen, um hinauszulaufen und Schnee auf die Zunge zu
legen, blieben Évi und Aja am Treppenabsatz, zogen die Schultern hoch und
verschränkten die Arme. Évi sagte, wenn sie sich schlafen lege, kehrten die
Nächte in den Wäldern manchmal zurück, die Geräusche im Gehölz, die sie bis
zum Morgen höre, wenn alles still sei und der Wind es aufgegeben habe, an den
Brettern und Läden zu zerren. Évi schlief bei Licht, unter einer ihrer vielen
Lampen, auch in Ajas Zimmer löschte sie nie alle Lichter. Fiel der Strom aus,
schlief Aja im Schein einer Kerze, und Évi wachte über sie, damit die Flamme
auf dem kleinen Tisch sich nicht in den Gardinen fing, wenn ein Luftzug durchs
Fenster drang. Wenn Aja von der Schule kam und Évi schlafend auf dem
Küchenstuhl fand, die Arme unter ihrem Kopf verschränkt, das Gesicht versteckt
unter ihrem wirren Haar, dann wusste sie, Évi hatte in der Nacht wieder an
ihrem Bett gesessen und aufs erste Licht gewartet.
Seit sie nicht mehr jeden Morgen
ihre Sachen zusammenklaubten und loszogen, musste Évi nicht mehr fürchten, ihre
Papiere könnten verschwunden sein. Wenn sie nach ihnen gefragt worden waren,
auf einem Platz, über den Zigi das Seil gespannt hatte, an einem Feldweg, wenn
sie für die Nacht eine Lichtung zum Schlafen gesucht hatten, hatte sie jedes
Mal die Angst überfallen, sie könne sie verloren haben, sie könnten aus dem
Koffer gerutscht sein, der Wind könnte sie fortgejagt haben und mit den
Papieren auch den dünnen Schutz, der über ihnen lag, wenn sie ihre Landkarte
in die Luft geworfen hatten und Aja mit ihren kleinen Fingern darübergefahren
war. Jetzt, da Évi in einem Haus mit zwei Türen wohnte, die sie nicht
abschließen wollte, versteckte sie ihre
Weitere Kostenlose Bücher