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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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Schauer
schärfte sie Aja ein, sich unterzustellen und in Sicherheit zu bringen. Im
Frühling, wenn die Stürme viel Regen gebracht und die Feldwege rund um Évis
Haus versenkt hatten, ging Évi in ihren Gartenschuhen und schlüpfte erst
hinter der Brücke in Sandalen, wo der feste Weg, der Asphalt begann, und Aja
sprang hinter ihr im Zickzack über Pfützen, in ihren gelben Stiefeln, die sie
ohne Strümpfe über die nackten Füße zog.
    Ich hatte mich in Ajas Leben
begeben, als sei ein fester Platz für mich immer schon darin vorgesehen
gewesen. Für Évi war ich kein Gast mehr, sie wunderte sich nie, wenn ich unter
ihrem Fenster, auf den Stufen vor dem Fliegengitter, wenn ich an Sonntagen an
ihrem Frühstückstisch saß, weil ich am Abend vergessen hatte, nach Hause zu
laufen, und im großen Tuch eingeschlafen war, das sie für uns zwischen die
Bäume gebunden hatte. Nie schien sie zu denken, dass ich an einem anderen Ort
zu Hause war, der in Kirchblüt lag und nicht von Feldern, sondern von den
Fenstern und Vorgärten der Nachbarn umgeben war. Obwohl ich zu meiner Mutter
gehörte, lebte ich bei Aja und Évi und fing an, meine Wege zu verwechseln, sie
durcheinanderzubringen und nach der Schule die falsche Richtung einzuschlagen,
bis zur Brücke über den Klatschmohn zu laufen, als sei ich mit einem Faden an
Aja gebunden, und ich kehrte erst um, wenn ich das Bahnwärterhäuschen schon
sehen konnte, mit kleinen langsamen Schritten, als wollte ich nicht.
    Meine Mutter fragte nicht mehr,
warum ich mir ausgerechnet Aja hatte aussuchen müssen, und mit den
Jahreszeiten, die über Kirchblüt kamen und es verkleideten, hatte sie es
aufgegeben, Évis Leben an ihrem zu messen, an den vielen Dingen, aus denen es
zusammengefügt war. An den hellen Tagen unserer Kindheit, in denen wir ohne
Zweifel auf unsere Welt sahen, war meine Mutter näher an Évi herangekommen,
war manchmal zurückgeschreckt wie vor einem Tier, an dessen Zähmung sie nicht
glauben wollte, und hatte sich wieder angenähert, vielleicht nur, um mir diesen
Gefallen zu tun. Immer hatte sie Abstand gehalten, so wie sie zu allen Abstand
hielt, selbst zu mir, als dürfe selbst ich dieses letzte Stück nicht auf sie
zugehen. Sie hatte verstanden, dass Karl und ich am liebsten bei Évi waren,
auch wenn es für andere eine Hütte war, in der Aja aufwuchs, während ich in
einem Haus mit Treppen lebte, die hoch ins nächste Stockwerk führten, und Karl
sogar in zwei Häusern wohnte und in beiden ein Zimmer hatte. Sie wusste, am
liebsten saßen wir am Wegrand vor Évis Haus, das man aus der Ferne für den
Schuppen eines Bauern halten konnte, warfen Steinchen ans schiefhängende Tor
und schauten auf den blätternden grauen Putz, an den wenigen Stellen, an denen
Zigi sich versucht hatte, auf das von Herbst zu Herbst dunkler werdende Holz
und die Ziegel, die nicht einmal für das halbe Dach gereicht hatten. Karl und
ich verloren das Gefühl für Sommer und Winter, und wir vergaßen die Tageszeit,
in die nur Évi uns zurückholte, wenn sie am Abend das Fliegengitter löste,
zwei Stufen hinabging und uns zurief, wir müssten uns aufmachen und nach Hause
gehen.
    Wenn Évi in jüngster Zeit so etwas
wie ein Gefühl der Ruhe umgeben hatte, verlor sie es bald wieder, weil sich in
unserer kleinen Stadt immer Leute finden mussten, die Lügen verbreiteten, auf
den Wegen rund um den großen Platz, unter den dichtstehenden Platanen, an den
Gartenzäunen und im Kaffeeladen, in dem Évi bitteren Kakao und Mandelsplitter
besorgte. Nachdem jemand von ihrem Biskuitteig gegessen und sich den Magen
verdorben hatte, hieß es in diesem Herbst, der mir einfällt, bei Évi sei es
nicht sauber genug, um für andere zu backen, und sie mische die Zutaten so,
dass man krank würde davon. Die Holzleiste für die Bestellzettel in Évis Küche
blieb leer, und an den dunklen Nachmittagen im November rührten wir an Évis
Töpfen keinen Honig mehr ins Wasser und zupften keine Watte für die
Schornsteine der Lebkuchenhäuser, die sonst zu dieser Jahreszeit in ganz
Kirchblüt in den Fenstern gestanden hatten. Meine Mutter nahm Évis Geldbörse
und legte heimlich Münzen und kleine Scheine hinein, und wenn sie nicht kommen
konnte, gab sie das Geld mir, und ich verteilte es auf Évis abgeschlagene
Tassen im schiefhängenden Schrank über der Spüle, sobald sie durch die Glastür
zu den Hühnern gegangen war und Mais aus ihrer Schürze auf den Boden streute.
    Aja wurde krank, nachdem zum
ersten Mal Schnee

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