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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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sie das Gefühl ganz, das Zigi angekündigt hatte, es löste sich auf, und Évi
glaubte, der Atlantik mit seinem unnötig tiefen Wasser sei schuld daran, wenn
sie nicht mehr spürte, ob Zigi kommen würde, und er anfangen musste, es ihr in
Briefen zu schreiben, die er von einem Ort schickte, den Évi nur von den Bogen
farbigen Papiers kannte, die Zigi mit seinen schiefen Buchstaben für sie
vollschrieb.
    Immer schon hatte Zigi ein Schiff
besteigen wollen, so viel wusste Évi, schon nach Kriegsende, als er sich zum
ersten Mal aus Budapest hatte aufmachen wollen, wo die Brücken in die Donau
gestürzt waren, und doch geblieben war, obwohl er damals keinen Grund dafür
hatte finden können. Seitdem hatte er sich weggewünscht und in Gedanken Schiffe
bestiegen, war die Wege dorthin viele Male abgelaufen, die Strecken abgefahren
und an den Häfen angekommen, an denen er an Bord gehen könnte. Évi sagte, Zigi
habe Jahre auf diesen Augenblick gewartet, er habe Jahre damit verbracht, sich
ihn auszumalen, auch wenn Zigi immer gesagt habe, er habe kein Schiff
besteigen können, weil er Évi habe treffen müssen, als der Staatszirkus im
Stadtwäldchen Jahre nach Kriegsende wieder seine erste Vorstellung gab. Zigi
habe gesagt, er sei nur geblieben, um Évi zu begegnen, die aus irgendeinem
Grund seinen Weg nicht früher habe kreuzen wollen, unter einem Zirkusdach,
neben Reitern und Pferden, die mit ihren Hufen das Sägemehl aufwirbelten, wo Évi
an einem Seil unter die Kuppel gezogen worden war und sich kopfüber hatte
hinabfallen lassen, bis er ihr Gesicht sehen konnte und nach ihren ersten
Blicken, ihren ersten Worten sicher war, es war wegen ihr, dass er nie weggegangen
war, es war, um mit ihr in einem lichten Gefüge zu leben, zwischen dem Trapez
und dem Schlagen der Trommeln, zwischen dem lauten Applaus am Abend und den leisen
Spaziergängen durchs Stadtwäldchen, die jedes Mal unter den hellen Strahlern
des großen Karussells endeten, vor seinen weißen Holzpferden und goldenen
Kutschen, zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter, immer am ersten Tag der
Woche, wenn der Zirkus keine Vorstellung gab.
    Wenn sie etwas Geld übrig hatten,
gingen sie ins nahe Szechenyibad, saßen im trüben Thermalwasser unter Wasserspeiern,
schauten den Schachspielern zu, und manchmal stand Zigi auf und fragte, ob er
den nächsten Zug machen dürfe. Zigi nahm Évis Füße in die Hände und knetete
sie, weil er fand, nur so könne Évi an jedem Abend der Woche ihre blauen Schuhe
überziehen und sicher und schnell über das Seil laufen. Wenn sie auf ihrem Weg
zurück über die breite Straße gingen, auf der die Straßenbahnen zuerst am
Oktogon, kurz darauf an der Oper hielten, wenn sie dann in einer der wenigen
Auslagen ein Spielzeugschiff entdeckten, ließ Évi es in Papier wickeln und
nahm es mit, bis Zigi eine kleine Sammlung hatte, die er ein letztes Mal Stück
für Stück aus seiner Vitrine nahm, als vor dem Stadtwäldchen, das der Oktober
gelb und rot gefärbt hatte, die Panzer rollten, wenige Tage, bevor er mit Évi
seine Stadt und sein Land für immer verließ. Wochen nachdem sie sich das
Klopfen und Rufen an der Tür abgewöhnt hatten, weil sie nicht mehr sicher sein
konnten, was sie dahinter erwartete, gaben sie über Nacht und ohne Abschied
ihr Leben zwischen Trapez und Trommeln, zwischen Thermalwasser und
Spielzeugschiffen auf. Hastig, ohne Blick zurück, schlüpften sie durch die
schmale Zeitschleuse, die sich kurz geöffnet hatte, im Gepäck nicht mehr als
ein Paar blauer Schuhe, um durch den Novembernebel, der den Abendstern in dieser
Nacht versteckt hielt, nach Westen über eine Grenze zu fliehen, hinter der sie
glaubten, über jeden ihrer Schritte fortan selbst bestimmen zu können. Auch
wenig später, als Zigi schon ein wirkliches Schiff hätte nehmen können, nicht
nur eines in seiner Vorstellung, hatte er ihm nur nachgeschaut und es nicht
bestiegen, der Gedanke an Évi hatte ihn abgehalten. Er hatte im Hafen gestanden
und zugesehen, wie sie es beluden, Treppen anlegten, Kisten an Seilen
hinaufzogen, hatte sich umgedreht und war mit diesem Bild vor Augen
weggegangen, auf seinen schmalen Füßen, mit seinen schnellen, leichten
Schritten.
    Jetzt aber, an diesem
frühlingshaften Tag nach Neujahr, nahm Zigi ein Schiff, als brauche er
plötzlich Wasser, viel Wasser zwischen sich und seiner alten Heimat, als
müssten seine Wege hier enden, und als führe keiner zurück in das Geflecht, das
er mit Aja auf dem Rücken an Évis Seite ein

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