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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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gefallen war und wir uns mit Schneebällen über den großen
Platz gejagt hatten, weil Aja nichts mehr auf Évis Mahnungen gab, im Schnee
langsamer zu gehen und vorsichtig zu sein. Es mag an ihrem klammen Zimmer
gelegen haben, in dem sich, seit es kälter geworden war, die bunten Tapeten neben
dem Fenster gelöst hatten, die Zigi in einem der späten Sommer aufgeklebt
hatte, vielleicht auch an der leeren Holzleiste in der Küche, an der Art, wie Évi
an den dunklen Nachmittagen daraufgeschaut hatte, wenn wir an ihrem schiefen
Tisch gesessen und Karten gespielt hatten. Aja hatte ihren Fieberblick, wie wir
ihn nannten, der ihre Augen dunkler färbte und mit einem Schatten umgab, der
sich auch später noch, als sie schon älter, als sie erwachsen war, jedes Mal
zeigte, sobald sie krank wurde. Évi holte Ajas Matratze, damit Aja neben ihr
schlafen und sie besser über Aja wachen konnte. Sie wechselte die Wäsche, wenn
Ajas Kissen nass von Schweiß war, und brachte sie dazu, in kleinen Schlucken
Tee zu trinken, den sie in der Küche aufgoss. Aja fehlte uns, und Karl und ich
versuchten, die Zeit schneller laufen zu lassen, in der wir ohne sie sein mussten,
schossen Bälle und schmissen Steine in die Stille, kletterten in unsere Linden
und sahen auf Évis Haus, das jetzt anfällig und leicht aussah, wie eines
unserer Kartenhäuser, das wir einfach hätten wegpusten können. Unter Eiszapfen
versuchten wir durchs beschlagene Fenster zu schauen, wir bewarfen uns mit
Schnee und jagten uns durch den Garten, vom Zaun zu den Gemüsebeeten, von den
losen Platten zu den Johannisbeersträuchern, aber es war nicht dasselbe. Wir
saßen in dicken Stiefeln und Jacken auf Évis Stufen und standen erst auf, wenn
Évi sagte, seid vernünftig, es wird zu kalt für euch.
    Aja kam nicht zur Schule. Jeden
Morgen warteten Karl und ich unter den Platanen des großen Platzes vergeblich
auf sie, und erst wenn es vom Kirchturm dreimal kurz zur letzten Viertelstunde
schlug, liefen wir zum Schultor. Der Platz neben mir blieb leer, und ich gab
mir Mühe, ihn zu füllen, breitete Papiere über den Tisch, stellte meine Tasche
auf Ajas Stuhl und legte meinen Schal über die Lehne. Évi war an den
Nachmittagen nicht im Fotoladen, und wenn wir nach ihr fragten, sagte man uns
jedes Mal, sie würde vorerst nicht kommen. Meine Mutter hatte Angst, ich würde
mich in Ajas Nähe anstecken, und hatte mir verboten, in meiner Linde oder auf
den Stufen vor Évis Haus zu sitzen, um auf ein Wort, ein Zeichen, um auf Ajas
Gesicht zu warten, das sich am Fenster zeigen könnte. An Heiligabend brachte
sie Évi ein Paket, ließ den Motor laufen, sprang hinaus, schloss die Wagentür,
damit mir auf dem Rücksitz nicht kalt würde, und hob das schiefhängende Tor an,
das beim Öffnen übers Eis kratzte. Sie stellte das Päckchen mit einem Bündel
aus Tannenzweigen auf die oberste Stufe und kehrte schnell um, als könne sie
unentdeckt bleiben, als könne Évi den laufenden Motor nicht gehört haben. Évis
Haus lag seltsam still unter dem Schnee. Die wenigen Läden waren geschlossen,
um die Kälte abzuwehren. Eine dunkle Plane, die Évi aus dem Häuschen hinter dem
Verschlag mit den Hühnern geholt hatte, lag auf dem Dach, unter großen
Steinen, damit der Wind sie nicht fortreißen würde. Jemand hatte die Eiszapfen
abgeschlagen und unter den Fenstern liegen lassen. Ihre Spitzen waren wie
Pfeile aufs Haus gerichtet. Zwei Krähen flogen von den nahen Feldern zu Évis
Zaun und flatterten in die nackten Linden, als wir losfuhren und ich mich
umdrehte, um zu schauen, ob Évi das Fliegengitter löste und ihr Paket
hereinholte.
    Wir sahen Évi erst im neuen Jahr,
als sie nachts vor unserer Tür stand, ohne zu klingeln oder zu klopfen. Meine
Mutter hatte ein Geräusch gehört, hatte sich den Bademantel umgelegt, war über
die nachtkalte Treppe hinabgestiegen, und als sie durchs Fenster in den Hof
schaute, sah sie im fallenden Schnee Évi, mit Aja im Arm, in eine Decke gehüllt,
ihr heißer Kopf an Évis Schulter. Évi hatte sie über die Feldwege zu uns
getragen, während sich die Flocken auf ihr Haar gesetzt hatten, in dicken
Stiefeln durch den Schnee, über Spiegel aus Eis durch die Dunkelheit, in der
sie neben dem Wind in den Zweigen Ajas leises Atmen an ihrem Ohr gehört und
kein Licht gebraucht hatte, wie sie sagte, weil sie den Weg zur Brücke und zum
großen Platz blind kannte, jeden größeren Stein, jedes Loch, über das sie
hätte stolpern können, jeden Ast, den die Stürme

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