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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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hier
als auf der Straße oder in einem Zirkuswagen wohnte, auch wenn das Haus klein
und schief war und nur am Rande einer Stadt lag. Es war nicht die Flucht vor
dem Winter, es war der Wunsch, Aja würde aufwachsen mit Kindern, die in Häusern
lebten und eine Anschrift hatten, und nicht mit Erwachsenen, auf deren Kleider
sich ein Geruch von Schmutz und Regen gelegt hatte.
    Für Zigi war die Dunkelheit, die Évi
nachts gesehen hatte, keine Dunkelheit, selbst die Wintertage waren für ihn
hell gewesen, hell genug, um an den Sommer denken zu können, wenn sie wieder an
Flussstränden sitzen und sich ins Wasser werfen würden. Ihn hatte es nie
gestört, keine Bleibe zu haben, und wenn er sie im Dachzimmer besuchte, hatte
er es nie lange ausgehalten. Manchmal hatte er Aja mitgenommen, und Évi hatte
sie gehen lassen, nachdem Zigi gefragt hatte, ob sie nicht auch zwei Dinge in
seinen Koffer werfen und mitkommen wolle. Évi hatte den Kopf geschüttelt, und
wenn Aja vor dem Haus die Arme nach ihr ausgestreckt hatte, hatte sie sich
schnell umgedreht und war die steile Treppe hoch zum Dachzimmer gestiegen. Zigi
kam zurück, obwohl sich Évi jedes Mal gefürchtet hatte, er würde nicht mehr
zurückkommen. In den Nächten hatte sie wach gelegen und war aufgestanden, um
aus dem runden Fenster zu schauen, ob Zigi mit Aja auf der anderen Seite der
Straße stand und hochschaute. Wenn es über Nacht kälter geworden war und Aja
angefangen hatte zu husten, zu fiebern, war Zigi zurückgekehrt, über kleine
Wege abseits der großen Straßen, damit man ihn nicht anhalten und nach seinen
Papieren fragen würde, weil er jedem sofort auffallen musste, ein Mann mit
dunklem Koffer und einem Kind in einem Tuch auf seinem Rücken. Évi hatte kein
Wort über Ajas heiße Stirn, ihre roten Wangen verloren, und sie fragte nie, wo
sie gewesen waren, wo sie geschlafen und was sie gegessen hatten. Als Aja
schon in Kirchblüt lebte, nahm Zigi sie nur noch in den Herbstferien mit, dann
zogen sie wie früher von Stadt zu Stadt, mit einem Zelt, das Zigi an den
Abenden an einem Feldrain aufschlug und in dem Aja tiefer und besser schlief
als zu Hause, jedenfalls sagte sie es so. Während Zigi auf den Kirchplätzen
durch die Luft sprang und Gläser auf seiner Stirn balancierte, trug Aja die
Dinge für ihn heran und nahm sie ihm ab, bevor er sich verbeugte. Später sagte
sie, es sei ihr nie komisch vorgekommen, dass man für sie Münzen in einen
leeren Koffer geworfen habe, dass sie sich in einem Bad gewaschen hätten, für
das sie eine Karte hätten lösen müssen, dass sie sich zum Essen auf die Straße
gesetzt, Brot und Käse aus einer Tüte genommen und den Dreck nicht von ihren
Kleidern geklopft hätten, wenn sie aufgestanden und weitergegangen seien.
    Wenig Geld gehörte immer zu ihrem
Leben. Auch als Évi schon im Fotoladen arbeitete, behielt sie es bei, für Aja
nur ein Paar Schuhe zu kaufen, eines für den Sommer und eines für den Winter,
und weil Aja langsam wuchs, konnte sie die Schuhe zwei, drei Jahre lang tragen.
Aber weil sie kein Paar zum Wechseln hatte, ging sie manchmal in feuchten
Schuhen, die Évi am Abend mit Zeitungspapier ausgestopft hatte und die über
Nacht trotzdem nicht getrocknet waren. Évi kaufte nie etwas in Ajas Größe, und
Aja sah immer ein bisschen aus, als verschwinde sie in ihren Kleidern, als
gehe sie in ihnen verloren. Wenn ich ihr nachblickte, an der Abzweigung hinter
dem großen Platz, wo es zur Brücke über den Klatschmohn ging und wir uns Tag
für Tag nach der Schule mit einem Radschlagen verabschiedeten, fiel mir jedes
Mal auf, wie lang ihre Hosen waren, die auf ihren Schuhen Wellen warfen, und
wie die Ärmel ihrer Jacke ihre Hände versteckten. Als Aja zehn wurde, schenkte
meine Mutter ihr die ersten Schuhe in passender Größe. Sie hatte gesehen, wie
Ajas Schuhe beim Laufen von den Füßen gefallen, wie sie beim Fahrradfahren von
den Pedalen gerutscht waren, und in der Auslage des Schuhgeschäfts, das noch
immer Bilder von Karl zeigte, hatte sie rote Sandalen mit einer weißen Krone
auf den Riemchen entdeckt und am Abend mitgebracht. Mit dem Schuhkarton in den
Händen stieg sie aus dem Wagen, hielt die Sandalen hoch und winkte am
schiefhängenden Tor mit ihnen, und als Aja auf sie zusprang, über den Rasen,
die Butterblumen, die losen Platten, blieb Évi unter dem Birnbaum stehen und
legte ihre Hände auf dem Rücken ineinander, als müsse sie sich selbst
zurückhalten. Es schien ihr zu missfallen, dass Aja jetzt

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