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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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Jahr lang abgelaufen war. Als könne
er jetzt wiederfinden, was ihm zwischen Baustelle und Friedhof abhandengekommen
war, als dürfe er endlich eine Bewegung aufnehmen, die er bisher nur in
Gedanken vollzogen hatte, ging er schnell und ohne Scheu aufs Schiff, so
schrieb er Évi jedenfalls später, mit seinem dunklen Koffer, während Évi unter
Dachschrägen heißes und kaltes Wasser in Ajas Blechwanne goss und ihren
Ellenbogen eintauchte, um zu prüfen, ob es warm genug war. Zigi sah auf die
Schaumkronen des Atlantiks und stürzte Évi in einen Taumel, der ihren Träumen
ähnelte und alles durcheinanderwirbelte, was sie sah und dachte. Als ein letztes
Mal in diesem Winter Schnee fiel und das Eis auf den Straßen und Gehwegen
zudeckte, als ein Wagen, der ins Schleudern geriet, Aja fortriss, glaubte Évi,
das Glas der Autoscheibe habe nicht Ajas Finger zerschnitten, sondern etwas
zwischen Zigi und ihr. Sie konnte ihm nicht verzeihen, dass er sich langsam
Stunde für Stunde in Richtung Westen von ihr und Aja entfernt hatte, dass er
Aja nicht mehr in einem Tuch auf seinem Rücken trug, sondern Évi sie über
vereiste Bürgersteige schob und dabei Wachen und Schlafen kaum voneinander
trennen konnte. Évi überkam die Angst, sie würde bestraft dafür, ihr altes
Leben aufgegeben zu haben, als sei es nichts wert, ein Leben auf der Straße,
bestraft dafür, Zigi gehen gelassen und so getan zu haben, als könnten sie und
Aja ohne ihn weiterleben. Warum ihre Strafe aber so hart ausfallen musste,
begriff sie nicht, wo sie nichts weiter tat, als mit einem kleinen Mädchen in
einem kleinen Zimmer zu leben. Je länger sie darüber nachdachte und je mehr
Zeit verging, in der sie ohne Zigi blieben, desto weiter rückten die Antworten,
die Évi hätten einfallen können. Sie wurde das Gefühl nicht los, sie trage
Schuld daran, dass sie mit Aja allein war, es nistete sich ein und wucherte in
ihr, es legte sich zäh und klebrig auf ihre Schritte und die ruhelosen
Bewegungen ihrer Hände, als habe sie in Leim gefasst und finde nichts, mit dem
sie ihn lösen könnte.
    Wenige Jahre später fand Zigi in
Kirchblüt den Garten hinter den Feldern, und weil Évi an Fügung glaubte,
wollte ich auch glauben, eine Fügung habe sie und Aja in meine Nähe gebracht.
Sie zogen an Christi Himmelfahrt ein, und ich habe mich oft gefragt, was es mit
dem Mai und Kirchblüt auf sich hatte, warum Aja und Karl ausgerechnet im Mai
hier angekommen waren, ob es etwas bedeuten sollte, dass die Menschen, die in
der Mitte meines Lebens standen, ausgerechnet der Mai nach Kirchblüt geholt
hatte. Aja und Évi hatten nicht mehr als einen Pappkarton, den Évi vor der
Brust hielt und von der Bushaltestelle unter den Kastanien über den Bürgersteig
und den Feldweg trug. In einem Kästchen lagen darin Nadel und Faden, mit denen
sie einmal Pailletten an Zigis Kostüme genäht hatte, auch die blauen Schuhe,
die bald verschwanden und Évi nie finden konnte, wenn wir sie hätten sehen
wollen.
    Évi mochte lieber nicht wissen,
wie es Zigi gelungen war, dass sie in diesem Haus bleiben durften, das ohne
Anschrift an einem Feldweg stand, der sich weit genug entfernt von anderen
Häusern durch Weizen und Mais schlängelte, wo Kirchblüt ausfranste und mit
seinen Dächern und Glockentürmen schon wie ein Bild hinter Glas lag. Zigi
leitete Strom ins Haus, mit vielen Klammern und zwei dicken schwarzen Kabeln,
die er hochhängte, damit Aja, auch wenn sie auf einen Stuhl stieg, sie nicht
berühren konnte. Er zog einen Zaun aus Latten um den Garten, setzte ein
Schloss ins schiefhängende Tor, das Évi nie benutzte, und später band er einen
Kasten aus Blech daneben, für die Briefe aus hellblauem Papier, die er Évi
schickte, in den Monaten, in denen er nicht hier war. Jeden Herbst schlug er
neue Nägel in neue Bretter, trug Steine heran, Stangen und Rohre, die er auf
Schrottplätzen gefunden hatte, und brachte sie an, wo immer Évi sie haben
wollte. Zigi begann nur langsam zu begreifen, dass diese Art des Lebens Évi
gefiel, und mehr noch als ihr kleines Haus mochte sie ihren Garten, mit diesem
Stück einer Wiese und den gelben Tupfern aus Butterblumen, schon weil ihr
Zirkus wagen immer nur auf Kies oder Schlamm gestanden hatte. Als er sah, dass Évi
lieber Fotos in einem Laden ordnete als über ein Seil in einem Zirkuszelt zu
schweben, gab er den Gedanken endgültig auf, sie noch einmal im nachtblauen
Kostüm von weit oben herabstürzen zu sehen. Er verstand, warum Évi lieber

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