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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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umsetzen sollte, Ernst von seiner notariellen Lebensversicherung in Kenntnis zu setzen, bevor dieser auf die Idee kam, ihn durch einen motivierteren Mitarbeiter zu ersetzen. Er beschloß spontan, es aufzuschieben, als Ernst seine Hände aus den Taschen zog und angelegentlich seine Nägel betrachtete. »Es gibt zwei, drei Stellen, wo Sie Glück haben könnten.«
    Strass wischte sich die Nase, die in der Kälte zu laufen begonnen hatte. »Wo denn?«
    Ernst drehte sich zum Wasser um. Aus der Ferne leuchtete das Mennigerot von Ladekränen durch den Dunst herüber. Der hallende Ton eines Nebelhorns mischte sich mit dem Motorgeräusch eines vorbeiziehenden Lastkahns. Als er sprach, war seine Stimme leise und freundlich. »Während Sie viele Jahre damit beschäftigt waren, schmutzige Gelder einzusacken und ins Ausland zu verschieben, war ich ebenfalls nicht ganz tatenlos. Ich war ein gefragter Mann für gewisse... sagen wir, schwierige Fälle.«
    Strass fror plötzlich stärker. Das Rumoren in seinem Magen wich einem nagenden Schmerz, der nicht vom Hunger kam.
    »Was glauben Sie, warum ich dieses Projekt leite und nicht Sie? Weil es ein schwieriger Fall ist, Strass. Und schwierige Fälle erfordern bekanntlich viel Fingerspitzengefühl. Sehr viel Fingerspitzengefühl. Man muß seinem Gegner immer einen Schritt voraus sein. Man muß seine Gedanken denken.« Ernst wandte sich zu Strass um, streckte den Zeigefinger aus und berührte seine Brust. »Was meinen Sie, was diese junge Frau jetzt denkt? Was würden Sie denken an ihrer Stelle?«
    Strass starrte auf den dunklen Stoff seines Mantels, vor dem sich die gelbliche Kralle in unerbittlicher Deutlichkeit abhob. Er überlegte, warum er nicht einfach diese Hand mit den mißgestalteten Nägeln von sich stieß.
    Ernst strich mit dem Fingernagel über den Stoff und verursachte ein obszön schabendes Geräusch. »Ich sehe schon, diese Art von Denken zählt nicht gerade zu Ihren herausragenden Fähigkeiten. Sie sind zu sehr daran gewöhnt, daß ich das für Sie übernehme. Liebe Gewohnheiten will man nicht aufgeben, nicht wahr? Da Sie offenbar darauf angewiesen sind, daß ich für Sie denke, will ich es auch diesmal tun.«

13. Kapitel

    Am Dienstag der darauffolgenden Woche hatte endgültig der Winter in Frankfurt Einzug gehalten. Es war noch kälter geworden, und über Nacht hatte es geschneit. Der Dezember rückte näher, und die Meteorologen sagten den kältesten Monat seit zwanzig Jahren voraus. Auf den Straßen verklumpte der Schnee rasch zu einem breiigen Gemisch aus schmutzigem Eis und Streumitteln, das von den vorbeifahrenden Autos hochgeschleudert und über die Schneewälle am Rande des Gehsteigs gespritzt wurde.
    Die Geschäfte an der Zeil und der Freßgass’ schwirrten trotz des schlechten Wetters vor Betriebsamkeit. Zwischen den Häusern spannten sich seit einigen Tagen Lichterketten mit Adventsschmuck, und aus den Bistros roch es nach Zimt und Glühwein. Die Banken zwischen Schauspielhaus und Alter Oper ragten in einen stumpfen Himmel, der die Sonne schluckte. Die schneebedeckten Rasenflächen und marmorgepflasterten Plätze vor den Glasgewölben der Eingänge spiegelten glitzernd die elektrischen Kerzen der Christbäume, die vielerorts aufgestellt worden waren. Wegen der schneidenden Kälte tauschten die patrouillierenden Sicherheitsleute oft ihren Posten mit Kollegen, die im Inneren der Gebäude Dienst versahen.
    Die junge Frau, die zwischen den Sträuchern der Grünanlage hervortrat, dann die Straße überquerte und gemächlich am Eingang des Bankgebäudes vorbeischlenderte, trug eine dunkelrote Wildlederjacke mit fellbesetzter Kapuze. Die Hosenbeine ihrer Jeans steckten in knöchelhohen grauen Goretex-Stiefeln. Die Kapuze war zurückgeschlagen, und das Haar der jungen Frau fiel glatt und tiefschwarz bis auf ihre Schultern. Eine überdimensionale Sonnenbrille verbarg die Augen unter dem gerade geschnittenen Pony.
    Johanna sah auf die Uhr. Es war fast zwei. Seine übliche Zeit, vorausgesetzt, er war noch da. Die Zeitungen hatten außer einer kurzen Meldung, daß sie immer noch flüchtig sei und daß es bei den Ermittlungen zum Tod ihres Bruders und ihres Mannes keine neuen Erkenntnisse gab, nichts mehr gebracht. Wenn Wiking ebenfalls untergetaucht wäre, hätte es in den Nachrichten gemeldet werden müssen. Doch um die Bank war es wieder still geworden. Eine tödliche, lauernde Stille, das spürte sie. Also war er noch da. Wie immer um diese Zeit würde er in eines

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