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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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der Steakhäuser dieser Gegend zum Mittagessen gehen. Er liebte Steaks, je größer und garer, desto besser. Er mochte sie fast verbrannt. Das hatte er selbst zu ihr gesagt. Zu ihr und zu Leo. Es schien ihr hundert Jahre her zu sein, Detail einer flüchtigen Vergangenheit, die nicht zu ihrem, sondern zu einem anderen Leben gehörte, ein Leben, das nur zwei Jahre gedauert hatte und irgendwann zwischen damals und heute einfach zu Ende gegangen war. Sie hatte ihre dünne Haut aus Seide und Schmuck verloren, man hatte sie aufgeschnitten und ihr gewaltsam abgestreift. Die Johanna von damals gab es nicht mehr. Die gläsernen Pantoffeln waren zerbrochen. Nie wieder eine durchtanzte Nacht im >Dorian Gray< oder im >Fantasy-Garden<. Nie wieder glanzvolle Opernpremieren in Abendkleidern von Chloe oder Alaia. Nie wieder affektiert über die Schulter gehauchte Küßchen im Foyer des >Tigerpalastes< oder nach einem Besuch im >Schirn-Café<, wo man sich traf im Kreis beliebig austauschbarer Gesichter. Gesichter, die stets denselben Ausdruck zeigten, jene sonderbare Mischung aus Kulturbeflissenheit, intensiver Lebensgier und feindseliger Langeweile. Johanna erkannte, daß sie keine Freunde hatte in der flüchtigen Schar gutangezogener, gutverdienender Yuppies, zu deren Clique sie und Leo gehört hatten.
    Es gab niemanden, zu dem sie gehen konnte und dem sie vorbehaltlos vertrauen konnte. Niemand, zu dem sie sagen konnte: Versteck mich vor der Polizei, die mich steckbrieflich sucht. Hilf mir. Beschütz mich vor den Leuten, die meinen Bruder und meinen Mann umgebracht haben und die auch mich umbringen wollen. Niemand, außer Fabio.
    Johanna blieb an der Ecke des Gebäudes stehen und beobachtete den Eingang. Sie schwitzte unter der Perücke und der warmen Jacke, als sie sah, wie einer der Wachmänner die breite Glastür aufhielt, aus der Wiking ins Freie trat, gefolgt von zwei Sicherheitsleuten. Seine massige Gestalt war unverwechselbar, und sein Backenbart glänzte im diffusen Licht des Wintertages metallisch rot. Er trug einen maßgeschneiderten Mantel aus anthrazitfarbenem Kaschmir und die üblichen Schuhe aus schwerem englischen Leder. Er wandte sich in Johannas Richtung und kam auf sie zu. Sie zwang sich, betont langsam weiterzugehen. Sie schlenderte ihm entgegen, den Kopf leicht gesenkt und zur Straße gedreht. Was bist du für ein Mensch? Wie bringst du es fertig, ruhig hinter deinem Schreibtisch zu sitzen, lächelnd durch die Gegend zu spazieren, mittags dein verbranntes Steak zu essen, nach allem, was gewesen ist? Wiking musterte sie mit schwachem Interesse, dann glitt sein Blick über sie hinweg. Sie hatte es nicht anders erwartet, spürte aber trotzdem fast körperlich die Erleichterung. Die beiden Männer, die ihm folgten, blieben schräg hinter ihm und deckten seine Rückseite, der eine mehr zur Straße, der andere zum Gebäude hin. Sie waren in Zivil. Beide trugen sportliche Winterjacken und Mützen mit Ohrenklappen. Der eine der beiden Männer war schlank und hatte etwas nach vorn gezogene Schultern. Johanna kannte ihn nicht, dafür jedoch den anderen, der gerade den Reißverschluß an seiner Jacke aufzog. Er war groß und kräftig gebaut und trug eine dunkle Brille, die zwei verschiedenfarbige Augen verbarg.
    Johanna hätte sich in der Einschätzung des Gegners nicht mehr irren können. Sie waren alles andere als sorglos. Sie waren nicht nur auf der Hut, sie hatten auf der Lauer gelegen. Wiking hatte sie nicht nur erkannt, er hatte auf sie gewartet. Er verhielt abrupt den Schritt und blieb dicht neben ihr stehen. Sie konnte den Ausdruck seiner Augen nicht erkennen, glaubte aber in seiner Stimme einen Ton vager Trauer zu hören. »Johanna, das war ausgesprochen dumm von Ihnen. Sie glaubten wohl, daß wir nach so langer Zeit leichtsinnig werden, stimmt’s? Jetzt werden Sie auf offener Straße erschossen. Dumm, wirklich dumm.«
    Während er sprach, war sie einige Schritte zurückgewichen. Sie stieß gegen den kalten Beton der Gebäudewand hinter ihr. Aus den Augenwinkeln sah sie, daß zwei Sekretärinnen die Bank betraten. Die Tür fiel hinter ihnen zu. Johannas Blicke zuckten in die andere Richtung. Etwa achtzig Meter weit entfernt kam eine Gruppe Banker aus einer Nebenstraße und hielt auf das Gebäude zu. Sie waren zu weit weg. Jorge zog eine Pistole aus seinem Schulterhalfter unter der Jacke.
    Johanna schob sich an dem rauhen Beton entlang, zur Ecke hin. Jorge legte in aller Seelenruhe an und zielte auf sie. Johanna

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