Bankgeheimnisse
waren, die gegen die Sprechmuschel trommelten. Wiking griff haltsuchend hinter sich und erwischte versehentlich den Spülungshebel.
Ernst schnaubte. »Sie Trottel! Natürlich würde es auffallen!« Seine Stimme bekam einen mißtrauischen Klang. »Hören Sie, was rauscht denn da so? Sie sind doch nicht etwa...«
Wiking lehnte sich zitternd vor Schwäche zurück. »Ich höre es auch. Das sind die atmosphärischen Störungen. Der Satellitenfunk... auf dem Ozean...«
»Ich bin in Hamburg«, unterbrach Ernst ihn in eisigem Tonfall. »Um auf unser kleines Problem zurückzukommen... Sie versuchen als erstes, es ihr auszureden. Wenn das nichts fruchtet, bieten Sie ihr Geld. Zehn Millionen, zwanzig, wenn es sein muß. Sie wird es schlucken, schließlich wissen wir von ihr, daß sie nicht gerade mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und aufgewachsen ist.«
»Und als dritte Möglichkeit?« fragte Wiking besorgt. »Doch nicht...«
»Dann bleibt uns nichts anderes übrig.« Aus Ernsts Stimme klang eine beinahe kindliche Vorfreude. Wiking spürte, wie sich in seinem Nacken die Haare aufstellten.
»Ja, aber...«
»Reden Sie mit ihr«, verabschiedete sich Ernst knapp. »Ich rufe in exakt einer Stunde wieder an. Verlieren Sie keine Zeit.«
Wiking verlor keine Zeit. Er brachte rasch sein derangiertes Äußeres in Ordnung, dann rannte er in sein Büro und wies seine Sekretärin an, eine Telefonverbindung zu Johanna Herbst herzustellen. Sie versuchte es mehrmals, erreichte sie jedoch nicht. Schließlich rief sie Hilda an. Ihr war nicht bekannt, wo ihre Chefin sich aufhielt. Jedenfalls war sie nicht in ihrem Büro. Sie hatte sich nicht abgemeldet, was völlig im Gegensatz zu ihrem sonstigen Verhalten stand. Wiking befahl seiner Sekretärin, im Haus herumzutelefonieren. Zuletzt kam sie auf die naheliegende Idee, den Wachmann in der Eingangshalle anzurufen, der auf seinem Computerbildschirm die Abgangslisten überprüfte. Johanna Herbst befand sich nicht mehr in der Bank. Sie hatte vor einer Stunde das Gebäude verlassen. Wiking begab sich persönlich in ihr Büro, weil er es nicht glauben wollte. Die Tür stand weit offen. Auf ihrem Schreibtisch fand er fünf Bücher, bei deren Anblick er beinahe in die Knie brach. Er trat näher, hob den aufgeklappten Band auf, der mit dem Rücken nach oben neben dem Stapel der anderen Bücher lag. Als er die an den Rand gekritzelte Notiz sah, mußte er sich fast eine Minute lang an der Schreibtischkante festhalten. »Alles in Ordnung?« Hilda stand im Türrahmen, die Nase frisch gepudert und den Lippenstift nachgezogen. Es war offensichtlich, daß sie ihn hatte hierherkommen sehen.
»Ja, sicher. Ich dachte, ich schaue nur mal kurz rein, ob sie vielleicht doch wieder da ist. Ich hatte sowieso gerade hier in der Zehnten eine Besprechung.« Seine Stimme klang atemlos, doch sie schien es nicht zu bemerken, ebensowenig, wie ihr der Umstand aufzufallen schien, daß er seine Besprechungen stets in seinem eigenen Büro durchzuführen pflegte. Schließlich war er der Vorstandsvorsitzende dieser Bank. Er biß knirschend die Zähne zusammen und stellte sich seitlich zum Schreibtisch, so daß er ihr die Sicht auf das Buch in seiner Hand verdeckte. Es gelang ihm, sein Zittern soweit zu bezwingen, daß er den verräterischen Gegenstand in die Hosentasche schieben konnte. Die Hand immer noch in der Tasche, drehte er sich zu Hilda um. Er unterdrückte ein erleichtertes Ächzen, als er feststellte, daß sie nichts bemerkt hatte.
Hilda lehnte sich in aufreizender Pose gegen den Türrahmen, das hübsche runde Gesicht zu einem einladenden Lächeln verzogen. »Ich habe schon ein-, zweimal bei ihr zu Hause angerufen, aber da ist sie auch nicht. Vielleicht ist sie schnell etwas besorgen gegangen, etwas so Wichtiges, daß sie keine Zeit mehr hatte, mir Bescheid zu sagen. Obwohl, eigentlich sagt sie mir immer, wohin sie geht. Es muß schon etwas sehr, sehr Wichtiges sein. Oh, was ist das?« Sie kam näher und bückte sich, um einige Plastiksplitter aufzusammeln, die Wiking sofort als Reste eines zerbrochenen Kugelschreibers identifizierte. Er wunderte sich flüchtig, aber dann begriff er und krampfte die Hand in seiner Tasche fester zusammen. Das unselige Buch schien in seiner Faust zu brennen. Er schob sich mit einem gemurmelten Gruß an ihr vorbei und verließ das Büro. Auf dem Weg zu den Aufzügen mußte er das Bedürfnis niederkämpfen, an der Wand Halt zu suchen.
11. Kapitel
Johanna Herbst stand auf der
Weitere Kostenlose Bücher