Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras
dem Ende der Quarantäne verlassen und mußten sich darauf einrichten, jahrelang Forschung als Beschäftigungstherapie zu betreiben. Die Stimmung war entsprechend.
»Ziemlich bizarre Angelegenheit, die Konferenz«, sagte Barakuda an einem der Abende. Learoyd und Toyami hatten sich durch den Schlamm zur Stadt gekämpft und saßen mit Begheli und Dante vor dem Kamin. Es war spät; Saravyi und Tremughati hatten mit ihnen ein Nachtmahl eingenommen und sich inzwischen zurückgezogen. Wie die meisten anderen Konferenzteilnehmer waren sie vom Gouvernement in einem der Hotels des Zentrums untergebracht. Und sie waren sehr müde.
»Wieso bizarr? Beziehungsweise – was ist hier nicht bizarr?« fragte Learoyd. Er hob den Becher mit heißem Bier; sein furchtbares Gesicht war regungslos.
»Na ja, zähl mal zusammen.« Barakuda tickte die einzelnen Punkte an den Fingern ab. »Der Subsekretär aus Gaia sitzt im Raumschiff, im Orbit, und wird seine Unterschrift fernschriftlich leisten. Die Erbgöttin von Sa’orq hat einen Wasserkopf und ist eine lallende Schwachsinnige, aber zur Vertragsschließung befugt. Der Stadtsklave von Golgit ist eigentlich nicht mehr zuständig, weil sein letztes Sklavenjahr abgelaufen ist. Die Blutgräfin von Vagaván entwickelt beängstigende Energie, seit sie fern von ihrer Heimat ist und nicht mehr bei jedem Aktionsvorschlag zur Ader gelassen wird. Der Fischfisch von Hastamek stellt ein anderes Problem dar – wie beim Abschluß des Abkommens vor Jahr hunderten. Alle Teilnehmer sollen mit Namen und Titel un terzeichnen. Der Fischfisch heißt aber immer Ubba-bul, sobald er gewählt ist, und das wird in den Akten auf Gaia später so aussehen, als ob da einer mindestens dreihundert Jahre alt geworden wäre. Königin von Kelgarla und Fürst und Fürstin der Banyashil werden mit diesen Titeln unterzeichnen, obwohl die Ämter nicht mehr bestehen. Varanira ist seit dem Sturz von Gashiri Privatperson, Tremughati und Gortahork schon seit dem Untergang von Pasdan. Und auf der anderen Seite haben wir eine Gouverneurin, deren Amtszeit laut Abkommen fünf Jahre nicht überschreiten darf, die aber längst länger im Amt ist. Und eine Obfrau des Autonomen Territoriums, die unterzeichnen muß, obwohl sie nicht will und eigentlich nicht darf – das Gouvernement hat das Territorium für aufgelöst erklärt. Insgesamt eine fei ne Sache. Ich bin kein Jurist, aber ich schätze, die Konferenzakte wird als Kuriosität in die Rechtsgeschichte des Commonwealth eingehen.«
Das Hauptergebnis der Konferenz stand längst fest; die Verhandlungen kreisten nur noch um einzelne Punkte der Ausführungsbestimmungen.
Das Protektorat war eingerichtet worden, um die Shil zu schützen: Gegen die Mönche von Banyadir – aber die saßen zwischen hohen Bergen, hatten keine überlegenen Waffen und stellten nach Meinung aller Beteiligten kein Problem mehr dar; gegen die Heiligen Mütter von Pasdan – aber das mörderische Matriarchat bestand nicht mehr; gegen die Sek tierer in Gashiri – aber die Anarchovegetarische Union hatte ihre Führer verloren, außerdem einen Teil der Bevöl kerung, stand unter der Kontrolle der Shil, wurde von Hei lern verwaltet und aufgelöst und existierte praktisch nicht mehr.
Nun hatten die Vertreter der Völker von Shilgat das Abkommen aufgekündigt.
»Was geschieht mit uns und all dem hier?« Toyami machte eine Handbewegung, die die Taverne, den Hafen, die Stadt Cadhras und das Isthmusterritorium einschloß.
Barakuda spielte mit einer unangezündeten Zigarette. »Nichts. Oder jedenfalls nicht viel. Bestimmt werden etliche Cadhrassi auswandern. Sie werden entschädigt. Neue Einwanderer wird es nicht geben. Damit löst sich das Problem der Isthmusbevölkerung größtenteils von selbst.«
In 100 Jahren, so wurde geschätzt, würde es keine reinen Cadhrassi mehr im Territorium geben. 90% von ihnen konn ten keine Kinder mehr bekommen; die Nachfahren der übrigen 10% würden in Shil und Mischlingen aufgehen. Ähnliches zeichnete sich für Pasdan und Gashiri ab.
»Übrigens kommt es zu seltsamen Koalitionen bei der Konferenz. Gortahork und Saravyi sind in der Vergangenheit fast nie einer Meinung gewesen – jetzt aber wohl. Beide sind im Prinzip dafür, das Protektorat weiter bestehen zu lassen.«
»Warum? Und warum ausgerechnet die beiden?« Begheli schüttelte den Kopf.
»Saravyi scheint noch irgendwas von Banyadir zu befürchten. Und nach allen Entdeckungen auf dem Südkontinent weiß ich nicht, ob er
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