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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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bekleideter Leib schien jung zu sein, höchstens Mitte zwanzig. Im Gegensatz zum Henker zierte kein Quäntchen Fett seinen flach atmenden Bauch. Es war nicht zu erkennen, ob er Furcht hatte vor dem, was ihm bevorstand. Die Kapuze und die Trippelschritte verwehrten ihm eine wie auch immer geartete Haltung.
    Ihm voraus ging der Stadtschreiber, flankiert von zwei Bütteln. Hinter dem Delinquenten kamen noch mal zehn Büttel in Zweierformation. Zehn schien einigen Zuschauern eine außergewöhnlich hohe Zahl zu sein, in der Regel hatten zum Tode Verurteilte allenfalls vier bis sechs Büttel hinter sich.
    Über ein schmales Treppchen betrat der Stadtschreiber die Bühne, die beiden vorderen Büttel führten den Delinquenten an den Schultern ebenfalls hinauf. Der Henker spuckte schon mal in die Hände und verrieb die Spucke zwischen seinen wurstigen Fingern.
    Der Verurteilte wurde zum Richtblock geführt und nahm dahinter Aufstellung. Sein Kopf machte den Eindruck, unter der Kapuze schuldbewusst gesenkt zu sein.
    Genüsslich entrollte der Stadtschreiber ein Pergament und begann vorzutragen. Sein Redestil war ein eigenwilliger Singsang, in dem er einzelne, zufällig wirkende Worte betonte. Den Bürgern der Stadt war diese Melodie wohlvertraut.
    »Hochverehrte Bürger! Auf Ratschluss der Stadtverwaltung befördern wir heute vom Leben ZUM Tode einen Mann, dessen Namen wir nicht kennen und der sich auch während des gerechten Prozesses auf unvergleichlich starrsinnige Weise geweigert HAT, uns über sich und seine Beweggründe Auskunft zu geben, obwohl Untersuchungen seiner Zunge und seines Kehlkopfes ergeben haben, dass er DURCHAUS des Sprechens mächtig ist. Wir wissen nur, dass er nicht von hier stammt, nicht aus dieser STADT und nicht aus diesem oder einem der angrenzenden Länder. Vermutungen deuten auf die Urwälder des Nordens HIN, aber das sind selbstverständlich in aller Begründetheit nur Vermutungen. Was wir wissen, mit Sicherheit, was BEZEUGT wurde von etlichen, ist, dass dieser Mann, dieser Unhold, in unserer Stadt vier Menschen erschlagen hat, dass vier Elternpaare nichts als TRÄNEN haben, wegen einer Wirtshauskeilerei, die aus sämtlichen akzeptablen Fugen GERIET. Zwei der vier Getöteten waren Büttel, die versuchten, des Rasenden habhaft zu werden, was ein umso schwerer wiegendes Verbrechen darstellt, weil der Verurteilte dadurch bewies, dass er das Recht UND Gesetz unserer Stadt missbilligt. Nur unter großen Mühen und erwähnten Verlusten konnte er ÜBERHAUPT dingfest gemacht werden, und selbst im Gefängnis betrug er sich dermaßen störrisch und uneinsichtig, dass er in gesonderte Verwahrung genommen werden MUSSTE. Wir werden nun unserer Pflicht nachkommen, diesen Unhold vom Leben zum Tode zu befördern, NICHT aus Rachsucht oder Vergeltungswut, wie seinesgleichen das tun würden, sondern aus dem begründeten Verdacht heraus, dass andernfalls weitere Unschuldige ihr Leben durch seine Hände verlieren WÜRDEN. Das Urteil wird VOLLSTRECKT im Einklang mit den Gesetzen des Hochadels. Der Kopf des Unholds wird im Nachfolgenden auf dem Schandpodest vorm Rathaus AUSGESTELLT und darf ausdrücklich von jedermann bespien werden.«
    Die Holztribüne für die Betuchteren hatte sich inzwischen gefüllt. Indencron sog mit geweiteten Nüstern den Wohlgeruch der stadtbekannten Kurtisane Chaerea ein, die unmittelbar vor ihm Platz genommen hatte. Ganz vorne saßen die Angehörigen der vier Opfer des Unholds und schienen haltlos zwischen Weinen und Verwünschungen hin- und herzuschwanken. Das gesamte Podest bebte unter dieser Unruhe. Welw Indencron fragte sich, ob es überhaupt stabil genug konstruiert worden war. Als es noch fast leer gewesen war, hatte er sich ganz nach oben gesetzt, um den möglichst besten Blick über die Volksmenge zu haben, aber nun bereute er seinen Entschluss und hätte lieber weiter unten Platz genommen, doch da war nun alles besetzt. Immerhin entschädigte ihn Chaereas sinnlicher Duft für seine Sorgen. Sie wandte sich sogar einmal zu ihm um und lächelte ihn kokett an, war aber mindestens zwanzig Jahre zu alt, um seinem Geschmack zu entsprechen.
    Die Menge johlte und rief den Stadtsprecher mit Namen. Er war beliebt aufgrund seines eigentümlichen Singsangs. Er solle noch irgendetwas weiterreden, forderten einige. Andere verlangten, dass man endlich mit der Köpferei anfange, wegen der sie doch schließlich gekommen seien.
    Indencron blickte sich auf dem gesamten Marktplatz um. Auf zweien der

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