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Stoff für viele Leichen

Stoff für viele Leichen

Titel: Stoff für viele Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Vorspiel
     
    Alles begann im Kreise der Familie, und genauso
ging es weiter. Eine feine Gesellschaft! Damals hatte ich von einer achtbaren
Familie aus der Provinz den Auftrag, eine noch minderjährige Ausreißerin
wiederzufinden. Ein gewisser Riton de Martique war mir von Florimond Faroux
empfohlen worden; er sollte mir bei meiner Suche angeblich helfen können. Halb
Zuhälter, halb Polyp. Trieb sich an der Porte Saint-Denis rum. Solche Typen wie Riton haben eine besondere Vorliebe für diese
Gegend. Und genau hier war ich nun schon seit rund einer Woche zu finden. Einst
zogen die Herrscher durch dieses Tor im Triumphzug in unsere Stadt ein — und
auch wieder hinaus, mit den Füßen zuerst, wenn sie ins königliche Grab gebracht
wurden. Für die Herren der Unterwelt bedeutet die Porte Saint-Denis so was
Ähnliches. So mancher ist hier in der Gegend schon sehr weit hochgestiegen, um
dann im Kugelhagel von Freunden wieder sehr tief zu fallen. Ich sollte bald
solch ein Beispiel geliefert kriegen. Schließlich gabelte ich diesen Riton auf.
Er konnte mir jedoch nicht weiterhelfen. Als ich mich von ihm verabschiedete,
war es Zeit für den abendlichen Aperitif. Also ging ich auf ein Glas in ein
kleines Bistro an der Ecke Rue Blondel. Seit ich in diesem Viertel
herumstrolchte, hatte ich so meine Gewohnheiten angenommen. Die Huren fingen
auch schon an, sich für mich zu interessieren. Fragten sich wohl, ob ich nun
ein schüchterner Kunde war, ein frisch eingestellter Flic oder ein Zuhälter,
der neu im Geschäft war. Die Stammkundschaft in dem Bistro bestand aus windigen
Lackaffen mit flinken Äuglein und Frauen, die in ihren enganliegenden Kleidern
mehr nackt als angezogen wirkten. Die hohen Pfennigabsätze der Frauen hallten
auf dem Boden wider. Wenn die Lackaffen dagegen von der Theke zu den Flipperautomaten
gingen, hatte man das Gefühl, sie bewegten sich auf Filzsohlen, so lautlos
waren ihre Schritte. Hier und da waren auch Abnehmer für die fleischliche Ware
zu sehen, Männer, die all ihren Mut zusammennahmen, oder andere, die sich
erholten. Sie machten einen zwielichtigen, gelassenen Eindruck; unter dem
Gewicht ihrer traurigen, niederdrückenden Einsamkeit waren ihre Schultern
gebeugt.
    Abgesehen von diesen Gestalten war das ein
lebhafter Ort, sowohl im Bistro als auch draußen. Bald sollte es noch lebhafter
zugehen. Die Autos aus der Rue d’Aboukir und der Rue Sainte-Foy kreuzten in
einer Art Flaschenhals die Autos aus der Rue Saint-Denis. Ein herrliches
Hupkonzert! Zwischen den Autos schlängelten sich Fahrräder und Motorroller
hindurch. Im Bistro klingelten ständig die Flipperautomaten. Würfel rollten
über die Zinktheke. Ein chromblitzender Musikautomat übertönte mit seinen
Schnulzen das Durcheinander der Stimmen.
    Ich stand am äußersten Ende der Theke, direkt
neben dem Eingang, und beobachtete interessiert die Bewegung auf der Straße,
manchmal auch die des Hinterns einer rothaarigen Nutte, die draußen auf und ab
ging. Plötzlich pflanzte sich ein Kerl vor mir auf, wie aus dem Boden
gewachsen. Ich sah ein längliches, blasses Gesicht, blauschwarze Haare, darauf
einen grauen Filzhut. Seine Lippen waren außergewöhnlich schmal, seine Augen so
schwarz wie die Haare. Sie sahen über meine Schulter ins Innere des Bistros.
Schließlich sah der Kerl mir direkt in die Augen. Er lächelte, was wohl
freundlich aussehen sollte, ihm aber nur unvollkommen gelang und sich sowieso
auf die rasiermesserdünnen Lippen beschränkte. Die dunklen Augen starrten mich
an wie im Fieber. Gleichzeitig machte der Mann eine Bewegung mit der linken
Hand, während er die rechte in seiner Jackentasche vergraben hatte. Er sah mich
immer noch lächelnd an; seine linke Hand sagte mir: Geh zur Seite! Die
Rothaarige war verschwunden. Dante Paolizi —den Namen erfuhr ich später — war
zu rücksichtsvoll, zu höflich für einen gemeinen Gangster. Er wurde das Opfer
seiner Anständigkeit, seiner guten Erziehung. Als ich endlich kapierte, was er
wollte — an manchen Tagen zieht man die Rolläden erst spät hoch — , drückte ich
mich blitzschnell gegen die Wand, um nichts mitzunehmen, was mir nicht zustand.
Für den Mann da draußen war es zu spät. Durch meine Schuld hatte er ein paar
Sekunden zu lange gezögert, und das hatte genügt, um den oder die zu warnen,
die er überraschen wollte. Eine ohrenbetäubende Knallerei erfüllte das Bistro.
Dante Paolizi empfing seinen Anteil mit der Würde eines amtierenden Monarchen.
Er brach

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