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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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lederne Pranken bereits seinen Hals umklammert. Carax stieß mich weg und drückte Fumero an die Wand. Dessen Hand krampfte sich um den Revolver und versuchte ihn Carax unters Kinn zu setzen. Bevor er abdrücken konnte, packte ihn Carax am Handgelenk und hämmerte es mit aller Kraft ein ums andere Mal an die Wand, doch Fumero ließ die Waffe nicht los. Ein zweiter Schuß explodierte in der Dunkelheit, zerschellte an der Wand und riß ein Loch in die Holztäfelung. Funken und glühende Splitter besprengten Fumeros Gesicht. Der Gestank nach verbranntem Fleisch erfüllte den Raum.
Mit einem Ruck versuchte sich Fumero aus den Pranken zu befreien, die seinen Hals wie in einem Schraubstock hielten und seine Hand mit dem Revolver an die Wand drückten. Carax lockerte den Griff nicht. Fumero brüllte vor Wut und drehte den Kopf, bis er Carax in die Faust beißen konnte. Eine tierische Wut hatte ihn erfaßt. Ich hörte, wie seine fletschenden Zähne die tote Haut zerrissen, und sah Blut aus seinen Lippen rinnen. Da griff Carax, die Schmerzen ignorierend oder vielleicht gar nicht imstande, welche zu empfinden, nach dem Dolch, riß ihn aus der Wand und spießte mit einem einzigen Stoß das rechte Handgelenk Fumeros an die Wand. Der gab einen Schmerzensschrei von sich. Seine Hand öffnete sich spastisch, der Revolver fiel ihm zu Füßen. Mit einem Tritt schleuderte ihn Carax in die Dunkelheit.
Der Schrecken dieser Szene war in wenigen Sekunden an meinen Augen vorbeigezogen. Ich war wie gelähmt, unfähig, zu handeln oder auch nur einen Gedanken zu fassen. Carax wandte sich mir zu und heftete seinen Blick auf mich. Als ich ihn anschaute, konnte ich seine von den Flammen ausgelöschten Gesichtszüge rekonstruieren, die ich mir so oft vorgestellt hatte, wenn ich Bilder sah oder alte Geschichten hörte.
»Bring Beatriz hier weg, Daniel. Sie weiß, was ihr zu tun habt. Trenne dich nicht von ihr. Laß sie dir nicht wegnehmen, von nichts und niemand. Behüte sie. Mehr als dein Leben.«
Ich wollte nicken, aber meine Augen wurden von Fumero angezogen, der mit dem Messer kämpfte, das in seinem Handgelenk steckte. Mit einem Ruck riß er es los, sackte in die Knie und hielt sich den verwundeten Arm, vom dem das Blut herabrann.
»Geh«, raunte Carax.
Geblendet vor Haß, schaute uns Fumero vom Boden herauf an, das blutige Messer in der linken Hand. Carax wandte sich ihm zu. Ich hörte eilige Schritte näher kommen – von den Schüssen alarmiert, war Palacios seinem Chef zu Hilfe geeilt. Noch bevor Carax Fumero das Messer entreißen konnte, stürmte Palacios mit erhobenem Revolver in die Bibliothek.
»Zurück«, rief er.
Er warf einen raschen Blick auf Fumero, der sich mit Mühe aufrichtete, und schaute danach uns an, zuerst mich und dann Carax. Ich bemerkte den Schrecken und den Zweifel in seinem Blick.
»Ich habe gesagt, zurück.«
Carax wich zurück. Palacios beobachtete uns kalt, während er zu entscheiden versuchte, wie die Situation in den Griff zu bekommen war. Seine Augen richteten sich auf mich.
»Du da, hau ab. Das hat nichts mit dir zu tun. Los.«
Ich zögerte einen Moment. Carax nickte.
»Hier geht gar keiner weg«, sagte Fumero schneidend. »Palacios, geben Sie mir Ihren Revolver.«
Palacios regte sich nicht.
»Palacios«, wiederholte Fumero, und streckte die blutende Hand fordernd nach der Waffe aus.
»Nein«, murmelte Palacios zwischen den Zähnen und blieb wie gelähmt stehen.
Fumeros Augen füllten sich mit Verachtung und Zorn. Mit einem jähen Sprung packte er Palacios’ Waffe und stieß ihn mit der Hand weg. Langsam hob er den Revolver. Seine Hand zitterte, der Revolver glänzte vor Blut. Carax wich Schritt um Schritt zurück, suchte die Dunkelheit, doch es gab keinen Ausweg, der Revolverlauf folgte ihm.
Meine sämtlichen Muskeln spannten sich vor Wut, wie angezogen von Fumeros bleicher Fratze. Palacios schaute mich an und schüttelte den Kopf. Ich beachtete ihn nicht. Carax hatte sich schon aufgegeben, stand reglos mitten im Raum und wartete auf die Kugel. Fumero kam gar nicht dazu, mich zu sehen. Für ihn gab es nur Carax und diese blutende Hand um den Revolver. Mit einem Sprung stürzte ich mich auf ihn. Meine Füße hoben vom Boden ab und gewannen keinen Kontakt mehr mit ihm. Die Welt war in der Luft erstarrt. Der Knall erreichte mich wie aus der Ferne, Echo eines abziehenden Gewitters. Es gab keinen Schmerz, nur ein dumpfes Lohen, als hätte mich mit ungeheurer Wucht eine Metallstange getroffen und zwei Meter ins

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