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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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zurück.
»Ich muß sie finden, Fermín.«
»Still gelegen. Sie sind nicht in der Lage, irgendwo hinzugehen. Sagen Sie mir, wo das Mädchen ist, und ich werde sie holen.«
»Ich weiß nicht, wo sie ist.«
»Ich muß Sie bitten, sich etwas spezifischer auszudrücken.«
In der Tür erschien Don Federico mit einer Tasse dampfender Fleischbrühe und lächelte mir herzlich zu.
»Wie fühlst du dich, Daniel?«
»Viel besser, danke, Don Federico.«
»Nimm zwei von diesen Tabletten mit der Brühe.«
Er wechselte einen raschen Blick mit Fermín, der nickte.
»Sie sind gegen die Schmerzen.«
Ich schluckte die Tabletten und schlürfte die Brühe, die nach Sherry schmeckte. Don Federico, ein Ausbund an Diskretion, verließ das Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Da bemerkte ich, daß auf Fermíns Schoß Nuria Monforts Manuskript lag. Der auf dem Nachttisch tickende Wecker zeigte ein Uhr – nachmittags, wie ich annahm.
»Schneit es noch?«
»Schneien ist reichlich untertrieben. Das ist eine Sintflut in Pulverform.«
»Haben Sie es schon gelesen?« fragte ich.
Er nickte nur.
»Ich muß Bea finden, bevor es zu spät ist. Ich glaube, ich weiß, wo sie ist.«
Ich schob Fermíns Arme weg, setzte mich auf dem Bett auf und sah mich um. Die Wände wogten wie Algen unter der Wasseroberfläche eines Teichs. Die Decke entfernte sich in einem Hauch. Ich vermochte mich kaum aufrecht zu halten. Mühelos drückte mich Fermín wieder aufs Bett nieder.
»Sie gehen gar nirgends hin, Daniel.«
»Was waren das für Pillen?«
»Morpheustinktur. Sie werden schlafen wie Granit.«
»Nein, jetzt kann ich nicht …«
Ich stammelte weiter, bis meine Lider – und die Welt – unaufhaltsam zusammenfielen. Das war ein schwarzer, leerer, tunnelhafter Schlaf.
    Die Dämmerung lauerte schon, als das Bleigewicht dieser Lethargie schwand, und ich öffnete die Augen in ein dunkles, von zwei müde auf dem Nachttisch flackernden Kerzen bewachtes Zimmer hinein. Erschöpft schnarchte Fermín im Sessel in der Ecke mit der Verve eines dreimal größeren Mannes. Um seine Füße ergoß sich Nuria Monforts Manuskript. Die Kopfschmerzen waren zu einem langsamen, lauen Pochen geschwunden. Leise schlich ich mich zur Tür und gelangte in ein kleines Wohnzimmer mit Balkon und einer Tür, die aufs Treppenhaus hinauszuführen schien. Mein Mantel und meine Schuhe waren auf einem Stuhl deponiert. Ein von irisierenden Reflexen gesprenkeltes Licht drang durchs Fenster herein. Ich trat an die Balkontür und sah, daß es weiterhin schneite. Die Dächer halb Barcelonas waren weiß gefleckt. In der Ferne erkannte man die Türme der Industrieschule, Nadeln im letzten Tageslicht. Die Scheibe war mit Reif überzogen. Mit dem Zeigefinger schrieb ich darauf:
    Hole Bea. Folgen Sie mir nicht. Bin bald zurück.
    Beim Erwachen hatte mich Gewißheit befallen, als hätte mir ein Unbekannter im Traum die Wahrheit zugeflüstert. Ich trat auf den Treppenabsatz hinaus und stürzte zur Haustür hinunter. Die Calle Urgel war ein weißer Strom, dem Straßenlaternen, Bäume und Mäste entwuchsen. Der Wind verspuckte stoßweise Schnee. Ich ging zur UBahnstation Hospital Clínico und tauchte in die Tunnels aus Dampf und verbrauchter Wärme. Horden von Barcelonesen, die den Schnee anschauten, als wär’s ein Wunder, unterhielten sich noch immer über diesen Schneesturm. Die Abendzeitungen brachten die Meldung auf der ersten Seite, mit Fotos von den verschneiten Ramblas und dem in Stalaktiten erstarrten CanaletasBrunnen. Der Jahrhundertschnee, verhießen die Schlagzeilen. Ich ließ mich auf eine Bank auf dem Bahnsteig fallen und atmete die Tunnelluft und den Ruß ein, der dem Rumpeln der noch unsichtbaren Züge vorausgeht. Auf der andern Seite der Gleise sah man auf einem Werbeplakat für die Wonnen des Rummelplatzes auf dem Tibidabo die kirmeshaft beleuchtete Blaue Straßenbahn, und dahinter konnte man die Umrisse des Aldaya-Hauses erahnen. Ich fragte mich, ob Bea wohl dasselbe Bild gesehen und begriffen hatte, daß es keinen andern Ort gab, wo sie hingehen konnte.
3
    Es war schon fast dunkel, als ich von den Treppen der UBahnstation ins Freie trat. Die menschenleere Avenida del Tibidabo zeichnete eine endlose Flucht von Zypressen und unter einer weißen Decke begrabenen Palästen. An ihrer Haltestelle erspähte ich die Blaue Straßenbahn, die Glocke des Schaffners durchschnitt den Wind. Ich beeilte mich und erreichte sie, als sie sich eben in Bewegung setzte. Der Schaffner, ein alter Bekannter, nahm

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