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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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hintun, Fermín.«
»Ich hatte schon immer einen enormen Stoffwechsel. Meine Mutter hat mich oft gefragt, ob vielleicht ein Zwilling in mir mitißt. Sie mußte immer doppelt auftischen.«
»Vermissen Sie sie?«
»Meine Mutter«? Mit einem Lächeln zuckte er die Schultern. »Was weiß ich. Wenige Dinge sind trügerischer als die Erinnerungen. Und Sie? Vermissen Sie Ihre Mutter?«
Ich senkte die Augen.
»Sehr.«
»Wissen Sie, woran ich mich bei meiner am besten erinnern kann? An ihren Geruch. Sie hat immer ganz sauber gerochen, nach süßem Brot, egal, ob sie auf dem Feld gearbeitet hatte oder tagaus, tagein dieselben Kleider trug. Sie hat immer nach allem Guten gerochen, das es auf dieser Welt gibt. Dabei war sie ein Grobian. Sie hat geflucht wie ein Fuhrmann, aber gerochen wie eine Märchenprinzessin. Wenigstens ist es mir so vorgekommen. Und Sie? Woran erinnern Sie sich am meisten bei Ihrer Mutter?«
Ich zögerte einen Augenblick und klaubte die Worte zusammen.
»An nichts. Ich kann mich seit Jahren nicht mehr an meine Mutter erinnern. Weder an ihr Gesicht noch an ihre Stimme oder ihren Geruch. Das ist mit dem Tag verschwunden, an dem ich Julián Carax entdeckt habe, und es ist nicht wiedergekommen.«
Fermín schaute mich etwas ungläubig an und wog seine Antwort ab.
»Haben Sie denn kein Bild von ihr?«
»Ich habe die Bilder nie anschauen mögen.«
»Warum nicht?«
Noch nie hatte ich das jemandem erzählt, nicht einmal meinem Vater oder Tomás.
»Weil es mir Angst macht. Es macht mir Angst, ein Bild meiner Mutter zu suchen und eine Fremde in ihr zu entdecken. Sie finden das bestimmt dumm.«
Er schüttelte den Kopf.
»Und darum denken Sie, wenn Sie das Geheimnis von Julián Carax ergründen können und ihn der Vergessenheit entreißen, wird das Gesicht Ihrer Mutter zurückkehren?«
Ich schaute ihn schweigend an. In seinem Blick lag weder Ironie noch ein Urteil. Einen Moment lang erschien mir Fermín Romero de Torres als der scharfsinnigste und weiseste Mensch der Welt.
»Vielleicht«, sagte ich schließlich.
Punkt zwölf Uhr nahmen wir einen Bus zurück ins Stadtzentrum. Wir setzten uns vorne hin, direkt hinter den Fahrer, was Fermín nutzte, um mit ihm ein Gespräch über die vielen technischen und hygienischen Fortschritte zu beginnen, die er beim oberirdischen öffentlichen Verkehr feststellte, seit er ihn 1940 letztmals benutzt hatte, insbesondere bezüglich der Beschilderung, wie eine Tafel mit den Worten Spucken und zotiges Reden verboten bezeugte. Fermín studierte sie und erwies ihr seine Reverenz, indem er geräuschvoll einen kräftigen Auswurf von sich gab, was uns die bitterbösen Blicke eines Kommandos von drei Duttträgerinnen eintrug, die, mit Meßbüchern ausgerüstet, im hinteren Teil mitfuhren.
»Rüpel«, murmelte die eine Frömmlerin, die erstaunlich dem offiziellen Bild von General Yagüe glich.
»Da hast du sie«, sagte Fermín. »Drei Heilige hat mein Spanien: die heilige Empörung, die eisheilige Jungfer und die heilige Zimperliese. Alle gemeinsam haben wir aus diesem Land einen Witz gemacht.«
»Recht haben Sie«, stimmte der Fahrer bei. »Unter Azaña war alles besser. Vom Verkehr gar nicht zu reden. Es ist zum Kotzen.«
Ein weiter hinten sitzender Mann lachte über den Gedankenaustausch. Ich erkannte in ihm den Beobachter vom Nebentisch in der Kneipe. Sein Ausdruck schien anzudeuten, daß er auf Fermíns Seite war und gern gesehen hätte, wie der seine Wut an den drei Frauen ausließ. Ich wechselte einen kurzen Blick mit ihm. Er lächelte mir freundlich zu und schaute dann wieder in seine Zeitung. Als wir in die Calle Ganduxer kamen, sah ich, daß sich Fermín in seinen Mantel eingekuschelt hatte und mit offenem Mund und glückseligem Gesicht ein Nickerchen machte. Der Bus rollte durch die geschniegelte Herrschaftlichkeit des Paseo de San Gervasio, als Fermín plötzlich hochfuhr.
»Ich habe von Pater Fernando geträumt«, sagte er. »Nur, daß er in meinem Traum als Jäger gekleidet war und einen erlegten Bären neben sich liegen hatte, der glänzte wie lauteres Gold.«
»Und was soll das?«
»Wenn Freud recht hat, bedeutet das, daß uns der Geistliche möglicherweise einen Bären aufgebunden hat.«
»Mir kam er ehrlich vor.«
»Eigentlich schon. Vielleicht zu ehrlich, als es für ihn gut ist. Geistliche mit einem Hang zum Heiligen schickt man irgendwann alle in die Mission, wo sie dann von Moskitos oder Piranhas aufgefressen werden.«
»So schlimm wird’s wohl nicht sein.«
»Was haben

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