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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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ich immer getan habe, wenn mein Leben auf einem guten Weg war: Ich verpfuschte alles.
    Eines Morgens kleidete ich mich nach dem Frühstück als achtbarer Bürger. Als ich in die Veranda ging, um mich von Isabella zu verabschieden, war sie über ihren Schreibtisch gebeugt und las die Seiten des Vortages.
    »Schreiben Sie heute nicht?«, fragte sie, ohne aufzuschauen.
    »Ich brauch einen Tag zum Nachdenken.«
    Ich bemerkte, dass sie die Schreibgarnitur mit dem Musentintenfass neben ihrem Heft stehen hatte.
    »Ich dachte, du findest das kitschig«, sagte ich.
    »Finde ich auch, aber ich bin ein junges Mädchen von siebzehn Jahren und habe alles Recht der Welt, Kitsch schön zu finden. Das ist wie bei Ihnen mit den Havannas.«
    Sie schnappte den Duft von Kölnischwasser auf und blickte mich neugierig an. Als sie Anzug und Krawatte bemerkte, runzelte sie die Stirn.
    »Gehen Sie wieder Detektiv spielen?«
    »Ein wenig.«
    »Brauchen Sie keine Leibwächterin? Eine Frau Dr. Watson? Jemand mit gesundem Menschenverstand?«
    »Lerne erst zu schreiben, bevor du Vorwände suchst, es nicht zu tun. Das ist ein Privileg der Profis, das man sich erarbeiten muss.«
    »Ich glaube, wenn ich Ihre Assistentin bin, dann für alle Bereiche.«
    Ich lächelte sanft.
    »Jetzt, da du es sagst – ja, da ist tatsächlich etwas, worum ich dich bitten wollte. Nein, keine Angst. Es geht um Sempere. Ich habe gehört, dass er Geldprobleme hat und die Buchhandlung in Gefahr ist.«
    »Das kann nicht sein.«
    »Leider ist es aber so, aber es macht nichts – wir werden verhüten, dass es noch schlimmer wird.«
    »Aber Señor Sempere ist sehr stolz und wird nicht zulassen, dass … Sie haben es doch schon versucht, oder?«
    Ich nickte.
    »Darum müssen wir cleverer sein und zu unorthodoxen Methoden, also zu List und Tücke, greifen.« »Ihre Spezialität.«
    Ich überhörte den missbilligenden Ton und setzte meine Darlegung fort.
    »Ich habe mir Folgendes überlegt: Du gehst wie zufällig in die Buchhandlung und sagst Sempere, ich sei ein Ungeheuer und würde dir auf den Geist gehen …«
    »Bis dahin hundertprozentig glaubhaft.«
    »Unterbrich mich nicht. Du sagst ihm all das und auch, dass ich dir nur einen schäbigen Assistentinnenlohn zahle.«
    »Aber Sie zahlen mir ja keinen Céntimo …«
    Ich übte mich in Geduld.
    »Wenn er dir sagt, das tue ihm aber leid, und das wird er tun, dann setzt du ein Gesicht auf wie eine verfolgte Unschuld und gestehst ihm, möglichst mit einem verdrückten Tränchen, dein Vater habe dich enterbt und wolle dich ins Kloster stecken. Und daher hättest du gedacht, dass du vielleicht einige Stunden bei ihm arbeiten könntest, für drei Prozent Kommission von dem, was du verkaufst, um dir fern vom Kloster eine Zukunft als Anarchistin aufzubauen und dich der Verbreitung der Literatur zu widmen.«
    Isabella verdrehte die Augen.
    »Drei Prozent? Wollen Sie Sempere nun helfen oder ihn schröpfen?«
    »Zieh ein Kleid an wie neulich abends, putz dich wieder so schön heraus und geh in die Buchhandlung, wenn sein Sohn auch da ist, normalerweise nachmittags.«
    »Sprechen wir von dem hübschen Jüngling?«
    »Wie viele Söhne hat Señor Sempere?«
    In Isabellas Kopf arbeitete es, und als sie verstand, wie der Hase lief, warf sie mir einen giftigen Blick zu.
    »Wenn mein Vater wüsste, was für einen verdorbenen Geist Sie haben, würde er tatsächlich eine Flinte kaufen.«
    »Ich will ja nur, dass der Sohn dich sieht. Und der Vater soll sehen, wie der Sohn dich sieht.«
    »Sie sind ja noch schlimmer, als ich dachte. Jetzt betreiben Sie auch noch Mädchenhandel.«
    »Das ist nichts weiter als christliche Nächstenliebe. Außerdem hast du als Erste zugegeben, dass Semperes Sohn hübsch aussieht.«
    »Hübsch und etwas dämlich.«
    »Wir wollen doch nicht übertreiben. Sempere junior ist bloß in Gegenwart des weiblichen Geschlechts ein wenig schüchtern, was ihm zur Ehre gereicht. Er ist ein vorbildlicher Bürger, der sich, obwohl er um die überzeugende Wirkung seines gefälligen Aussehens und seiner Männlichkeit weiß, in Selbstbeherrschung und Askese übt, aus Achtung und Respekt vor der makellosen Reinheit der barcelonesischen Frau. Du willst mir doch nicht sagen, dass ihm das nicht eine Aura von Redlichkeit und Anmut verleiht, die an deine Instinkte appelliert, sowohl den mütterlichen wie auch die anderen.«
    »Manchmal denke ich, ich hasse Sie, Señor Martín.«
    »Klammere dich ruhig an dieses Gefühl, aber hänge nicht dem

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