Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
ausspräche, wären meine Stunden gezählt.
»Ich weiß nicht, wo sie ist.«
»Sie lügen.«
»Ich habe Ihnen ja gesagt, dass es nichts bringen würde, Ihnen die Wahrheit zu erzählen.«
»Außer dass ich wie ein Idiot dastehe, weil ich Ihnen helfen wollte.«
»Das versuchen Sie, Inspektor? Mir zu helfen?«
»Ja.«
»Dann überprüfen Sie alles, was ich Ihnen gesagt habe. Finden Sie Marlasca und Irene Sabino.«
»Meine Vorgesetzten haben mir vierundzwanzig Stunden mit Ihnen zugestanden. Wenn ich ihnen Cristina Sagnier bis dann nicht wohlbehalten oder wenigstens lebend zurückbringe, werden sie mich von dem Fall entbinden und ihn Marcos und Castelo übergeben, die schon lange auf die Chance warten, sich verdient zu machen, und sie werden sie nicht ungenutzt lassen.«
»Dann verlieren Sie keine Zeit.«
Grandes schnaubte, doch er nickte.
»Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun, Martín.«
19
Es war ungefähr neun Uhr vormittags, als mich Inspektor Victor Grandes in diesem Raum mit der Thermosflasche kalt gewordenen Kaffees und seiner Schachtel Zigaretten allein ließ. Vor die Tür postierte er einen seiner Männer, dem er, wie ich hörte, einschärfte, unter keinen Umständen jemanden zu mir hereinzulassen. Fünf Minuten nach seinem Weggang wurde an die Tür gehämmert, und in dem Fensterchen zeichnete sich das Gesicht von Marcos ab. Seine Worte verstand ich nicht, aber was ich ihm von den Lippen ablas, ließ keinen Zweifel aufkommen:
Mach dich auf was gefasst, du Schweinehund.
Den Rest des Vormittags verbrachte ich auf dem Fensterbrett sitzend, wo ich den Menschen jenseits der Gitterstäbe zuschaute, die sich frei wähnten, die rauchten und so genussvoll ein Stück Zucker ums andere verzehrten, wie ich es mehr als einmal den Patron hatte tun sehen. Am Mittag übermannte mich die Müdigkeit, vielleicht auch nur die Last der Verzweiflung, und ich legte mich, mit dem Gesicht zur Wand, auf den Boden. In weniger als einer Minute war ich eingeschlafen. Als ich erwachte, lag der Raum im Dämmerlicht. Es war schon Abend, und das ockerfarbene Licht der Straßenlaternen auf der Via Layetana warf die Schatten von Autos und Straßenbahnen an die Decke. Ich stand auf, da ich spürte, wie mir die Kälte des Bodens in sämtliche Muskeln kroch. Doch der Heizkörper in der Ecke war eisiger als meine Hände.
In diesem Moment hörte ich hinter mir die Tür aufgehen und drehte mich um. Auf der Schwelle stand der Inspektor und beobachtete mich. Auf ein Zeichen von ihm knipste jemand das Licht an und schloss die Tür. Die harte, metallische Helligkeit blendete mich für einen Moment. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich mich einem Inspektor gegenüber, der fast so elend aussah wie ich.
»Müssen Sie auf die Toilette gehen?«
»Nein. Angesichts der Umstände habe ich beschlossen, schon mal zu üben und in die Hose zu pissen, wenn Sie mich dann in die Schreckenskammer der Inquisitoren Marcos und Castelo schicken.«
»Freut mich, dass Sie Ihren Sinn für Humor noch nicht verloren haben. Sie werden ihn brauchen. Setzen Sie sich.«
Wir nahmen wieder dieselben Plätze wie einige Stunden zuvor ein und schauten uns schweigend an.
»Ich habe die Einzelheiten Ihrer Geschichte überprüft.«
»Und?«
»Wo soll ich anfangen?« »Sie sind der Polizist.«
»Als Erstes habe ich die Praxis von Dr. Trias aufgesucht, in der Calle Muntaner. Das war eine kurze Angelegenheit. Dr. Trias ist vor zwölf Jahren gestorben, und seit acht Jahren führt ein Zahnarzt namens Bernt Llofriu die Praxis, der, unnötig es zu erwähnen, noch nie von Ihnen gehört hat.«
»Unmöglich.«
»Warten Sie, es wird noch besser. Danach bin ich zur Hauptfiliale der Bank Hispano Colonial gegangen. Eindrucksvolles Dekor und untadelige Bedienung. Am liebsten hätte ich gleich ein Sparbuch eröffnet. Dort habe ich herausgefunden, dass Sie bei diesem Unternehmen nie irgendein Konto hatten und dass man dort nie von jemandem namens Andreas Corelli gehört hat und dass derzeit kein Kunde ein Devisenkonto mit einem Betrag von hunderttausend französischen Francs besitzt. Soll ich fortfahren?«
Ich presste die Lippen zusammen und nickte.
»Nächster Halt war die Kanzlei des verstorbenen Anwalts Valera. Dort habe ich feststellen können, dass Sie zwar ein Bankkonto haben, nicht aber bei der Hispano Colonial, sondern bei der Bank von Sabadell, von wo aus Sie vor etwa sechs Monaten zweitausend Peseten auf das Konto der Anwälte überwiesen haben.« »Ich verstehe
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