Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
Frau gebracht, die die Hexe von Somorrostro genannt werde, weil sie gedacht habe, sie würde ihn trösten und ihn davon überzeugen können, dass er im Jenseits seinen Sohn wiederfände … Soll ich fortfahren?«
Ich knöpfte mein Hemd auf und zeigte ihm die Schnitte, die mir Irene Sabino an dem Abend in die Brust geritzt hatte, als sie und Marlasca mich auf dem Friedhof von San Gervasio angegriffen hatten.
»Ein sechszackiger Stern. Bringen Sie mich nicht zum Lachen, Martín. Diese Schnitte können Sie sich selbst beigebracht haben. Sie bedeuten gar nichts. Irene Sabino ist bloß eine arme Frau, die sich ihren Lebensunterhalt als Angestellte in einer Wäscherei in der Calle Cadena verdient, sie ist keine Hexe.«
»Und was ist mit Ricardo Salvador?«
»Ricardo Salvador wurde 1906 aus dem Polizeidienst entlassen, nachdem er zwei Jahre lang im Todesfall Marlasca herumgestochert hatte, während er eine unerlaubte Beziehung mit der Witwe des Verstorbenen unterhielt. Das Letzte, was man über ihn hat in Erfahrung bringen können, ist, dass er nach Südamerika ausgewandert ist, um dort ein neues Leben anzufangen.«
Angesichts der Ungeheuerlichkeit dieses Schwindels musste ich unwillkürlich lachen.
»Merken Sie es denn nicht, Inspektor? Merken Sie nicht, dass Sie in genau dieselbe Falle tappen, wie Marlasca sie mir gestellt hat?«
Grandes sah mich mitleidig an.
»Wer nicht merkt, was vorgeht, das sind Sie, Martín. Die Zeit läuft, und statt mir zu sagen, was Sie mit Cristina Sagnier gemacht haben, wollen Sie mich mit allen Mitteln von einer Geschichte überzeugen, die aus der Stadt der Verdammten zu stammen scheint. Hier gibt es nur eine einzige Falle: die, die Sie sich selbst gestellt haben. Und mit jeder Minute, die vergeht, ohne dass Sie mir die Wahrheit sagen, wird es schwieriger für mich, Sie hier rauszubringen.«
Grandes fuhr vor meinen Augen zweimal mit der Hand durch die Luft, als wollte er sich versichern, dass mein Sehvermögen noch intakt war.
»Nein? Nichts? Wie Sie wollen. Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen auch noch den Rest von dem erzähle, was der Tag hergegeben hat. Nach meinem Besuch bei Irene Sabino war ich wirklich müde und bin für eine Weile ins Präsidium zurückgekommen, wo ich noch Zeit und Lust hatte, die Gendarmerie in Puigcerdà anzurufen. Dort hat man mir bestätigt, dass man Sie am Abend ihres Verschwindens aus Cristina Sagniers Zimmer kommen sah, dass Sie nie in Ihr Hotel zurückgekehrt sind, um Ihre Sachen zu holen, und dass der Chefarzt des Sanatoriums erzählt hat, Sie hätten die Lederriemen durchgeschnitten, mit denen die Patientin festgebunden gewesen sei. Da habe ich einen alten Freund von Ihnen angerufen, Pedro Vidal, der so freundlich war, ins Präsidium zu kommen. Der arme Mann ist am Boden zerstört. Er hat mir erzählt, bei Ihrer letzten Begegnung hätten Sie ihn geschlagen. Stimmt das?« Ich bejahte.
»Nur damit Sie es wissen – er trägt es Ihnen nicht nach. Er hat mich tatsächlich mehr oder weniger zu überreden versucht, Sie gehen zu lassen. Er sagt, bestimmt gebe es für alles eine Erklärung. Sie hätten ein schwieriges Leben gehabt. Sie hätten seinetwegen den Vater verloren. Er fühle sich schuldig. Er wolle einzig und allein seine Frau wiederhaben, und er habe nicht die geringste Absicht, Vergeltung zu üben.«
»Sie haben Vidal die ganze Geschichte erzählt?«
»Es blieb mir nichts anderes übrig.«
Ich vergrub das Gesicht in den Händen.
»Und was hat er gesagt?«
Grandes zuckte die Schultern.
»Er denkt, Sie hätten den Verstand verloren. Sie müssten unschuldig sein, und Ihnen solle nichts geschehen, ob Sie es nun seien oder nicht. Was seine Familie angeht – das ist schon eine andere Frage. Ich weiß, dass der Herr Vater Ihres Freundes Vidal, als dessen Busenfreund man Sie ja nicht unbedingt bezeichnen kann, Marcos und Castelo insgeheim eine Prämie angeboten hat, wenn sie Ihnen in weniger als zwölf Stunden ein Geständnis entlocken. Sie haben ihm versichert, dass Sie nach einem einzigen Vormittag sogar die Verse des Canigó aufsagen würden.«
»Und Sie, was glauben Sie?«
»Was ich wirklich glaube? Eigentlich möchte ich gern glauben, dass Pedro Vidal recht hat, dass Sie den Verstand verloren haben.«
Ich sagte ihm nicht, dass ich das in diesem Augenblick selbst zu glauben begann. Ich sah ihn an und erkannte an seinem Ausdruck, dass etwas nicht stimmte.
»Da gibt es etwas, was Sie mir nicht erzählt haben«, sagte ich.
»Ich würde
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