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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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und ohne jede Eile«, sagte er schließlich.
    »Das wird nichts bringen«, antwortete ich. »Es wird nichts ändern.«
    »Ist Ihnen ein Kreuzverhör mit anderen möglichen Beteiligten lieber? Mit Ihrer Assistentin zum Beispiel? Wie hieß sie noch? Isabella?«
    »Lassen Sie Isabella aus dem Spiel, sie weiß nichts.«
    »Überzeugen Sie mich.«
    Ich schaute zur Tür.
    »Es gibt nur eine Art, hier rauszukommen, Martín«, sagte der Inspektor und zeigte mir einen Schlüssel.
    Wieder spürte ich das Gewicht der Pistole in der Manteltasche.
    »Wo soll ich anfangen?«
    »Sie sind der Erzähler. Ich bitte Sie bloß, mir die Wahrheit zu sagen.«
    »Ich weiß nicht, was die Wahrheit ist.« »Die Wahrheit ist, was schmerzt.«
     
    Über zwei Stunden lang sagte Inspektor Grandes kein einziges Wort. Er hörte aufmerksam zu, nickte gelegentlich oder notierte sich einzelne Worte in seinem Heft. Am Anfang schaute ich ihn noch an, aber bald vergaß ich seine Anwesenheit und stellte fest, dass ich die Geschichte mir selbst erzählte. Die Worte ließen mich in eine vergessen geglaubte Zeit zurückreisen, in die Nacht, in der mein Vater vor dem Zeitungsgebäude erschossen wurde. Ich beschwor meine Tage bei der Stimme der Industrie herauf, die Jahre, in denen ich nur dank meiner Mitternachtsgeschichten überlebt hatte, und Andreas Corellis ersten Brief, in dem er mir große Erwartungen verkündete. Ich erzählte von dem ersten Treffen mit dem Patron auf dem Wasserspeicher beim Ciudadela-Park und den Tagen, an denen ich keine andere Aussicht hatte als die auf einen baldigen Tod. Ich sprach von Cristina, von Vidal und von einer Geschichte, deren Ende jeder außer mir hätte vorausahnen können. Ich erzählte von den beiden Büchern, die ich geschrieben hatte, das eine unter meinem und das andere unter Vidals Namen, vom Verlust jener elenden Erwartungen und von dem Abend, an dem ich sah, wie meine Mutter das einzig Gute, was ich im Leben geschaffen zu haben glaubte, in den Papierkorb warf. Ich suchte weder das Mitleid noch das Verständnis des Inspektors. Ich wollte lediglich eine imaginäre Landkarte der Ereignisse skizzieren, die mich in diesen Raum, an diesen Punkt absoluter Leere geführt hatten. Ich kehrte ins Haus am Park Güell zurück und zu jenem Abend, an dem mir der Patron ein Angebot unterbreitet hatte, das ich nicht ablehnen konnte. Ich gestand, wie mir ein erster Verdacht gekommen war, erzählte von meinen Nachforschungen zur Geschichte des Hauses mit dem Turm, zu Diego Marlascas seltsamem Tod und von dem Netz von Täuschungen, in das ich mich verstrickt oder das ich mir gesucht hatte, um meine Eitelkeit, meine Gier und den Wunsch zu befriedigen, um jeden Preis zu leben – zu leben, um die Geschichte erzählen zu können.
    Ich ließ nichts aus. Nichts außer dem Wichtigsten, dem, was ich nicht einmal mir selbst zu erzählen wagte. In meinem Bericht kehrte ich ins Sanatorium Villa San Antonio zurück, um Cristina zu suchen, und fand bloß Fußstapfen, die sich im Schnee verloren. Wenn ich es immer wieder von neuem sagte, würde ich es irgendwann vielleicht selber glauben. Meine Geschichte endete an diesem nämlichen Morgen, als ich von den Baracken des Somorrostro-Viertels zurückkam, um zu entdecken, dass Diego Marlasca beschlossen hatte, das fehlende Bild in der von Inspektor Grandes auf dem Tisch ausgebreiteten Galerie habe meines zu sein.
    Am Ende meiner Erzählung verfiel ich in ein langes Schweigen. In meinem ganzen Leben hatte ich mich nie müder gefühlt. Am liebsten wäre ich schlafen gegangen, um nie wieder aufzuwachen. Grandes beobachtete mich von der anderen Seite des Tisches. Ich hatte den Eindruck, er war verwirrt, traurig und zornig, vor allem aber ratlos.
    »Sagen Sie doch was«, sagte ich.
    Er seufzte. Dann stand er zum ersten Mal von seinem Stuhl auf und trat ans Fenster, mit dem Rücken zu mir. Ich sah mich die Pistole aus dem Mantel ziehen, ihm eine Kugel in den Nacken jagen und mit dem Schlüssel aus seiner Tasche den Raum verlassen. In sechzig Sekunden könnte ich auf der Straße sein.
    »Der Grund, warum wir uns unterhalten, ist ein Telegramm, das gestern vom Revier der Gendarmerie von Puigcerdà kam und in dem steht, Cristina Sagnier sei aus dem Sanatorium Villa San Antonio verschwunden und Sie seien der Hauptverdächtige. Der Chefarzt des Sanatoriums sagt, Sie hätten Interesse daran bekundet, sie mitzunehmen, aber er habe Ihnen das Entlassungsschreiben verweigert. Ich erzähle Ihnen das alles, damit

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