Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
wiegten, welche mich mitzog. Ihr weißes Gewand bauschte sich langsam um sie, die Silhouette ihres Körpers sichtbar im Gegenlicht. Cristina streckte die Hand nach mir aus, und ich kämpfte gegen die kalte, stete Strömung an. Als unsere Hände nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt waren, entfaltete eine dunkle Wolke ihre Flügel hinter ihr und hüllte sie ein wie in einer Explosion. Schwarze Lichttentakel umfassten ihre Arme, den Hals und das Gesicht und rissen sie in die Dunkelheit hinab.
22
Ich erwachte beim Klang meines Namens aus Inspektor Victor Grandes’ Mund. Ich schoss hoch, ohne zu wissen, wo ich mich befand – an einem Ort, der, wenn er denn überhaupt irgendeinem Ort ähnelte, der Suite eines Grandhotels glich. Die Peitschenhiebe aus Schmerz, die von den Schnitten auf meinem Körper ausgingen, holten mich in die Wirklichkeit zurück. Ich befand mich in Vidals Schlafzimmer in der Villa Helius. Zwischen den angelehnten Fensterläden deutete sich das Licht des frühen Abends an. Im Kamin brannte ein Feuer, es war warm. Die Stimmen kamen aus dem Erdgeschoss. Pedro Vidal und Inspektor Grandes.
Ich ignorierte das Reißen und Stechen, das mir auf der Haut brannte, und sprang aus dem Bett. Meine blutverschmierten Kleider lagen auf einem Sessel. Ich sah mich nach dem Mantel um. Die Pistole steckte noch in seiner Tasche. Ich spannte sie, verließ das Zimmer und folgte dem Klang der Stimmen bis zur Treppe. Eng an die Wand geschmiegt, stieg ich einige Stufen hinunter.
»Das mit ihren Männern tut mir sehr leid, Inspektor«, hörte ich Vidal sagen. »Sie können sicher sein, sobald sich David mit mir in Verbindung setzt oder ich etwas über seinen Verbleib erfahre, werde ich es Sie sofort wissen lassen.«
»Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe, Señor Vidal. Tut mir leid, dass ich Sie unter diesen Umständen behelligen muss, aber die Lage ist äußerst ernst.«
»Das ist mir klar. Danke für Ihren Besuch.«
Schritte in Richtung Halle und das Geräusch der Haustür. Sich entfernende Schritte im Garten. Vidals schweres Atmen am Fuß der Treppe. Ich ging noch einige Stufen hinunter und sah, dass er die Stirn an die Tür lehnte. Als er mich hörte, wandte er sich um. Er sagte kein Wort, sondern schaute nur auf die Pistole in meinen Händen. Ich legte sie auf das Tischchen am Fuß der Treppe.
»Komm, schauen wir mal, ob wir was Sauberes zum Anziehen für dich finden.«
Ich folgte ihm in ein riesiges Ankleidezimmer, das eher einem Textilmuseum glich. All die exquisiten Anzüge, die ich aus Vidals glorreichen Jahren in Erinnerung hatte, hingen hier, dazu Dutzende Krawatten, Schuhe und Manschettenknöpfe in roten Samtetuis.
»All das stammt aus der Zeit, als ich noch jung war. Es wird dir gut stehen.«
Vidal wählte für mich aus. Er reichte mir ein Hemd, das wahrscheinlich so teuer war wie eine kleine Parzelle Land, einen in London maßgeschneiderten Dreiteiler und italienische Schuhe, die der Garderobe des Patrons wohl angestanden hätten. Schweigend zog ich mich an, während mir Vidal nachdenklich zuschaute.
»Ein wenig breit an den Schultern, aber damit wirst du dich abfinden müssen.« Er gab mir Manschettenknöpfe mit Saphiren.
»Was hat Ihnen denn der Inspektor erzählt?«
»Alles.«
»Und haben Sie ihm geglaubt?« »Spielt es eine Rolle, was ich glaube?« »Für mich spielt es eine Rolle.« Vidal setzte sich auf einen Schemel vor einer von oben bis unten mit Spiegeln bedeckten Wand.
»Er sagt, du wüsstest, wo Cristina ist«, sagte er. Ich nickte. »Lebt sie?«
Ich schaute ihm in die Augen und nickte sehr, sehr langsam. Vidal lächelte schwach und wich meinem Blick aus. Dann begann er zu weinen, mit einem Stöhnen, das aus tiefster Tiefe aufstieg. Ich setzte mich neben ihn und umarmte ihn.
»Verzeihen Sie mir, Don Pedro, verzeihen Sie mir …«
Später, als die Sonne langsam dem Horizont entgegensank, warf Don Pedro meine alten Kleider ins Feuer. Bevor er den Mantel den Flammen übergab, zog er Die Schritte des Himmels hervor und reichte mir das Buch.
»Von den beiden Büchern, die du letztes Jahr geschrieben hast, ist dies das gute«, sagte er.
Ich sah zu, wie er meine brennenden Kleider im Feuer schürte.
»Wann haben Sie es gemerkt?«
Er zuckte die Schultern.
»Selbst einen eitlen Dummkopf kann man nicht ewig täuschen, David.«
Ich war mir nicht sicher, ob in seiner Stimme Groll lag oder nur Traurigkeit.
»Ich habe es getan, weil ich dachte, es würde Ihnen helfen, Don
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