Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
nicht erwartet, hier oben jemanden anzutreffen.«
Bestürzt schaute ich ihn an. Ich sah mein Gesicht in seinen schwarzen Pupillen, die sich weiteten, wie sich ein Tintenfleck auf dem Papier ausbreitet.
»Darf ich fragen, was Sie hierher führt?«
»Dasselbe wie Sie – große Erwartungen.«
»Andreas Corelli«, murmelte ich.
Sein Gesicht leuchtete auf.
»Welch ein Vergnügen, Sie endlich persönlich begrüßen zu können, mein Freund.«
Er sprach mit einem leichten Akzent, den ich nicht einordnen konnte. Mein Instinkt befahl mir, aufzustehen und so schnell wie möglich zu verschwinden, bevor dieser Fremde noch ein Wort sagte, aber etwas in seiner Stimme, in seinem Blick wirkte beruhigend und weckte Vertrauen. Ich mochte nicht fragen, wie er mich hier hatte ausfindig machen können, wenn nicht einmal ich selbst wusste, wie ich hierhergelangt war. Der Klang seiner Worte und das Licht in seinen Augen gaben mir neuen Mut. Er streckte mir die Hand entgegen, und ich ergriff sie. Sein Lächeln verhieß ein verlorenes Paradies.
»Ich denke, ich sollte Ihnen für all Ihre Liebenswürdigkeiten im Lauf der Jahre danken, Señor Corelli. Ich fürchte, ich stehe in Ihrer Schuld.«
»Keineswegs. Ich bin es, der in Ihrer Schuld steht und sich entschuldigen muss, dass ich Sie auf so unangebrachte Weise angesprochen habe, gerade hier und jetzt, aber ich gestehe, dass ich schon seit langem mit Ihnen sprechen wollte, jedoch keine Gelegenheit dazu fand.«
»Was kann ich also für Sie tun?«, fragte ich.
»Ich möchte, dass Sie für mich arbeiten.«
»Bitte?«
»Ich möchte, dass Sie für mich schreiben.«
»Natürlich. Ich habe vergessen, dass Sie Verleger sind.«
Er lachte. Er hatte ein sanftes Lachen wie ein Kind, das noch nie einen Teller zerschlagen hat.
»Der beste von allen. Der Verleger, auf den Sie das ganze Leben gewartet haben. Der Verleger, der Sie unsterblich machen wird.«
Er reichte mir eine Visitenkarte, die identisch war mit der, die ich beim Erwachen aus meinem Chloé-Traum in den Händen gehalten hatte und noch immer aufbewahrte.
Andreas Corelli
Éditeur
Éditions de la Lumière
69, Boulevard Saint-Germain
Paris
»Ich fühle mich geschmeichelt, Señor Corelli, aber ich fürchte, ich kann Ihre Einladung nicht annehmen. Ich habe einen Vertrag unterschrieben mit …«
«Barrido und Escobillas, ich weiß. Ein Gesindel, mit dem Sie – ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen – keinerlei Beziehung unterhalten sollten.«
»Es gibt Leute, die diese Ansicht teilen.«
«Señorita Sagnier vielleicht?«
»Kennen Sie sie?«
»Vom Hörensagen. Sie scheint zu den Frauen zu gehören, deren Respekt und Bewunderung einem jedes Opfer wert wären, nicht wahr? Ermuntert sie Sie nicht, diese beiden Parasiten zu verlassen und sich selbst treu zu sein?«
»So einfach ist das nicht. Ich habe einen Exklusivvertrag, der mich sechs weitere Jahre an sie bindet.«
»Ich weiß, aber das sollte Sie nicht bekümmern. Meine Anwälte studieren derzeit das Thema, und ich kann Ihnen versichern, dass es mehrere Formeln gibt, jede vertragliche Bindung endgültig aufzulösen, sollten Sie sich bereit erklären, meinen Vorschlag zu akzeptieren.«
»Und Ihr Vorschlag wäre …?«
Corelli lächelte verspielt und maliziös wie ein Schüler, der auskostet, im nächsten Moment ein Geheimnis zu enthüllen.
»Dass Sie ein Jahr ausschließlich mir widmen, um an einem Auftragswerk zu arbeiten, an einem Buch, dessen Thema wir bei der Unterzeichnung des Vertrags gemeinsam besprechen würden und für das ich Ihnen im Voraus die Summe von hunderttausend Francs bezahlen würde.«
Verblüfft schaute ich ihn an.
»Wenn Ihnen diese Summe zu niedrig erscheint, bin ich bereit zu prüfen, was Sie für angemessen halten. Ich will ehrlich sein mit Ihnen, Señor Martín, ich mag nicht mit Ihnen über Geld streiten. Und im Vertrauen, ich glaube, auch Sie werden das nicht wollen – ich weiß, wenn ich Ihnen erläutere, welche Art Buch Sie für mich schreiben sollen, wird der Preis nebensächlich sein.«
Ich seufzte und lächelte in mich hinein.
»Ich sehe, Sie glauben mir nicht.«
»Señor Corelli, ich bin Autor von Abenteuerromanen, die nicht einmal meinen Namen tragen. Meine Verleger, die Sie anscheinend schon kennen, sind zwei jämmerliche Betrüger, die ihr Gewicht in Mist nicht wert sind, und meine Leser wissen nicht einmal, dass es mich gibt. Seit Jahren verdiene ich meinen Unterhalt mit dieser Arbeit, und ich habe noch keine einzige
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